Früher zur Schule für die Studiengebühren

Bayern will sein Bildungssystem von der Grundschule bis zur Universität umgestalten – inklusive Studiengebühren

„Nicht jeder Studiengang muss und kann an allen Universitäten gepflegt werden“

MÜNCHEN taz ■ Zwei Dinge liegen der CSU traditionell besonders am Herzen: zum einen die soziale Gerechtigkeit, zum anderen die besondere Unterstützung der Familie. Nur deshalb hat der neue bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) nun wohl verkündet, dass sich für ihn die Frage nach der Gerechtigkeit stelle, wenn „Eltern monatlich 110 Euro für einen Kindergartenplatz bezahlen müssten, während ein Erststudium immer noch null Euro“ koste. Allerdings will Goppel nicht die Kindergartenbeiträge abschaffen, sondern in Bayern Studiengebühren einführen.

Zwar kann die CSU trotz ihrer fast unbeschränkten Machtfülle darüber nicht alleine entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht muss im kommenden Jahr erst über eine Klage Bayerns gegen das Hochschulrahmengesetz urteilen und damit klären, ob Gebühren für ein Erststudium überhaupt zulässig sind. Sollte die Klage Erfolg haben, will Goppel die Studenten in jedem Fall zur Kasse bitten. Mit diesem radikalen Schnitt solle, sagt der Wissenschaftsminister, die Ausrüstung der Universitäten verbessert und ihre Spezialisierung vorangetrieben werden: „Nicht jeder Studiengang muss und kann an allen Universitäten gepflegt werden.“ In diesem Sinne hat Goppel die bayerischen Hochschulen aufgefordert, „ihre besonderen Stärken“ aufzulisten, um mögliche Profile entwerfen zu können.

Allerdings üben die Studiengebühren auch aus anderen Gründen eine besondere Faszination für Goppel aus. Denn der bayerische Ministerrat hat im Zuge der rigiden Sparpläne von Ministerpräsident Edmund Stoiber jüngst beschlossen, zehn Prozent aller Kosten an den Hochschulen im Lande einzusparen. Selbst grundsätzliche Befürworter von Studiengebühren wie Karl-Dieter Grüske, Rektor der Uni Erlangen-Nürnberg, fürchten daher, dass mit dem Geld der Studenten in Zukunft nur die Haushaltslöcher gestopft werden sollen: „Wenn Gebühren nur den Haushalt ausgleichen sollen, dann bin ich dagegen.“

Schließlich bleibt der soziale Aspekt: Sowohl Thomas Goppel als auch Wolfgang Herrmann, Rektor der Münchner Technischen Universität, haben bereits erörtert, wie man weniger vermögenden Studierenden ihr Studium durch Darlehen finanzieren kann. Dass Bildungswillige aus sozial schwachen Schichten neben der Bafög-Rückzahlung dann einen weiteren Schuldenberg mit ins Berufsleben hineintragen, wird als Preis der falschen Herkunft hingenommen. Studierendenvertreter der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, der TU und weiterer Hochschulen im Lande haben bereits breit angelegte Proteste gegen die CSU-Pläne angekündigt.

Doch die Überlegungen gehen noch weiter. Edmund Stoiber macht sich in diesen Tagen besonders dafür stark, Kinder bereits mit fünf Jahren in die Schule zu schicken und zugleich die Schulzeit für Abiturienten auf zwölf Jahre zu verkürzen. Damit würde sich die Lebensarbeitszeit glatt um zwei Jahre verlängern. Selbst sonst CSU-getreue Funktionäre wie Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, melden angesichts solcher Einschnitte lautstarke Bedenken an. Kraus, selbst Oberstudiendirektor in Landshut, meint, dass die meisten Fünfjährigen in der Schule schlicht überfordert wären. Eine Beschränkung der Schulzeit gehe laut Kraus zudem „klar auf die Kosten der schulischen Qualität“. Und die liegt der CSU, die sich bekanntlich selbst für den größten Pisa-Sieger hält, natürlich auch am Herzen. Möglich, dass Stoiber und Goppel ihre Reformpläne noch einmal reformieren werden.

JÖRG SCHALLENBERG