Reformation in der Krise

Alle, die ihr mühselig und beladen seid, schaut diesen Film: In „Luther“ überzeugen die Darsteller. Der Reformator ist dabei ein zorniger junger Mann, geplagt von Vaterkomplex und Selbstzweifeln

von ANDREAS BUSCHE

Filme mit religiösem Gehalt haben es an der Kinokasse schwer – sofern sie nicht gerade einen Skandal provozieren. Eric Tills Film „Luther“ umgeht dieses Problem, indem er sich nicht auf den religiösen, sondern auf den politischen und den persönlichen Konflikt konzentriert, die zur Spaltung der vatikanischen Kirche führten. Till staucht Luther wieder auf Menschenmaß zusammen, und Joseph Fiennes spielt ihn als zornigen jungen Mann, geplagt von Vaterkomplex und Selbstzweifeln.

„An manchen Tagen,“ sagt Luther, „bin ich so niedergeschlagen, dass ich mich nicht aus dem Bett erheben kann.“ Die Bauernkriege, Folge seiner Reformationsbemühungen, mit ihren 100.000 Opfern stürzen ihn in eine Krise. Wie ein zürnender Racheengel wandelt er später im Film über die schwelenden Schlachtfelder und entreißt seinem marodierenden Gefolge wutentbrannt die Mistgabeln.

Fiennes Luther ist eine Figur nicht ohne Humor (obwohl der Ton des Films äußerst grimmig ist) und im Wortduell kampfbereit bis zur Selbstaufgabe. Das Problem von Tills Biopic (der Film deckt die Jahre 1507 bis 1530 ab) bleibt nur, dass er in zwei Stunden keine Balance zwischen öffentlichem und privatem Menschen findet, beide Aspekte also zwangsläufig zu kurz kommen müssen. Dieser Film ist so bemüht, alle Schlüsselereignisse unterzubringen, dass er am Ende fast strebermäßig wirkt.

Das gilt auch für die visuelle Ästhetik. Eric Till kommt merklich vom Fernsehen, wohl auch darum die Entscheidung, mit seinen Bildern nicht in die Breite des Cinemascopes zu gehen. Was bei einem Mittelalterfilm von solch epischen Dimensionen jedoch notwendig gewesen wäre.

So brav und akkurat wie „Luther“ bei aller Düsternis inszeniert ist, erinnert er in vielen Szenen an die staubige Requisitenhaftigkeit von „Der Name der Rose“. Eine Wendung fehlt dem Film, und sei es nur der Verfremdungseffekt von Brechts epischem Theater wie in der Verfilmung von 1974 mit Stacey Keach.

Was ihn über den Tatbestand der bloßen Bebilderung historischer Fakten hebt, sind seine Darsteller: Alfred Molina als Ablasshändler Tetzel („Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt“) ist wahrhaft sardonisch; Peter Ustinov bringt in der Rolle von Luthers Mentor Friedrich von Preußen Witz und Ironie in die korrupte Kirchenpolitik, und selbst Uwe Ochsenknecht läuft als Papst Leo X. zu Hochform auf.

Kirchengruppen und Schulklassen dürften ihre helle Freude haben.

„Luther“. Regie: Eric Till. Mit Joseph Fiennes, Alfred Molina, Peter Ustinov, u. a. Deutschland 2003, 121 Min.