Der gute Ruf hat jetzt seinen Preis

In den USA ist „Napster 2“ ans Netz gegangen. Doch mit der einst kostenlosen Tauschbörse hat der neue Online-Shop nur noch den Namen gemein

Selbst Shawn Fanning gibt sich begeistert. „Napster 2.0 ist wirklich großartig“, wird er zitiert, „die digitale Musik macht einen großen Schritt nach vorne.“ Fanning war der jugendliche College-Abbrecher, der als Erfinder der digitalen Tauschbörse Napster zur Nemesis der Musikindustrie wurde. Nun hat er sich in ihr Schoßhündchen verwandelt.

Denn die neue Version von Napster, die vergangenen Mittwoch offiziell lanciert wurde, hat mit der anarchischen Variante, die Fanning Ende der 90er-Jahre programmierte, kaum mehr etwas gemein. Statt umsonst aus einem schier unbegrenzten Vorrat auswählen zu können, kontrollieren die fünf Major-Labels, was sie zum Download zur Verfügung stellen: Ein einzelner Song kostet 99 Cent, ein ganzes Album 9,95 Dollar. Das Abonnement, das eine unbegrenzte Anzahl von Downloads garantieren soll, ist für nur 9,95 Dollar monatlich zu haben.

Allerdings ist der Service momentan nur in den USA verfügbar. Wann und ob er jemals in Europa starten wird, ist nicht klar. Sicher ist, dass Napster 2.0 den Erfolg des Vorgängers nicht wird wiederholen können: 60 Millionen User nutzten den kostenlosen Service, bis eine Klage der Musikindustrie dafür sorgte, dass die Site vom Netz musste. Im September 2002 stand der Bankrott fest. Die Softwarefirma Roxio erwarb die Ruine für 5 Millionen Dollar und engagierte Fanning als Berater.

Roxio mag den historisch belasteten Namen erworben haben. Aber das neue Napster konkurriert nicht mit den verschiedenen Tauschbörsen, die sich weiterhin im Net tummeln, sondern vor allem mit dem von Apple lancierten iTune Music Store, der erstmals bewiesen hat, dass sich mit dem Musik-Download im Internet Geld verdienen lässt. Seit dem 16. Oktober ist iTunes nun auch für Windows verfügbar. Es wird sich zeigen müssen, ob Napster der Spagat gelingt, einerseits den Glaubwürdigkeitsvorsprung von iTunes aufzuholen und zugleich die alten Napster-User zu reaktivieren.

Immerhin entwickelt sich so momentan nun wenigstens ein Markt mit Konkurrenzdruck. Vergangene Woche ging auch MusicMatch mit einer kostenpflichtigen Download-Seite ins Netz, bereits seit einiger Zeit gibt es BuyMusic.com. Gegenüber seinen Mitbewerbern hat Napster allerdings einen großen Vorteil: nämlich ungefähr 500.000 Songs im Angebot, mehr als doppelt so viele wie iTunes. Um auch Teenager ohne Kreditkarte als Kunden zu gewinnen, will Napster demnächst in Drogerien und Supermärkten in den USA Pre-Paid Cards wie für Handys verkaufen: Für 14,85 Dollar soll man 15 Songs downloaden können.

Bleibt die Frage, ob sich die Zielgruppe nicht lieber das Taschengeld spart und weiter im Netz nach kostenlosen Downloads forscht. THOMAS WINKLER