Eltern als Zeitdiebe

Studie zum Lehrerarbeitszeitmodell: Schüler und Eltern beklagen „massive Veränderungen“. Klassen wachsen, individuelle Förderung schrumpft

An Hamburgs Schulen gibt es immer weniger Zeit für Schüler- und Elterngespräche

von KAIJA KUTTER

Das zum 1. August eingeführte Lehrerarbeitszeitmodell und die damit verbundene Bedarfsabsenkung um 3,5 Prozent haben zu einer Verschlechterung der Qualität von Schule geführt. Das ist das Fazit einer Umfrage von Eltern- und SchülerInnenkammer von Anfang September, an der sich 154 der 425 Hamburger Schulen beteiligten. Das Ergebnis hatten Bildungsexperten erwartet. Überraschend ist jedoch, dass nicht einmal das von Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) propagierte Ziel einer 100-Prozent-Versorgung der Schulen mit Lehrerstunden erreicht wurde.

So meldeten 43 Prozent der Schulen, dass sie den Grundunterricht nicht vollständig erteilen können. Nach Fächern aufgesplittet fehlen vor allem Lehrer in Englisch, Sport, Musik und Biologie. Zudem stehen weniger Stunden zur Teilung von Klassen zur Verfügung sowie für das Fach „Deutsch als Zweitsprache“.

„Lange hatte eine Unterrichtsgarantie für die Grundstunden abgeben“, erinnert Elternkammersprecherin Sabine Bick. Dies sollte auf Kosten der Teilungs- und Förderstunden geschehen. So wurden für die Klassengröße neue „Basisfrequenzen“ vorgegeben, die je nach Schulform zwischen 19 und 23 Schülern schwanken und bei deren Erreichung 100 Prozent Grundunterricht erteilt wird. Erst wenn die Klasse diese Zahl überschreitet, soll es die begehrten Zusatzstunden geben.

Doch laut Kammer-Umfrage, die sich auf Auskünfte von Eltern- und Schülerräten stützt, geht die Rechnung nicht auf. So berichteten 41,6 Prozent der Schulen von größeren Klassen und Kursen, sie müssten also auch mehr Teilungsstunden bekommen. Doch tatsächlich meldeten dies nur 6,5 Prozent der Schulen, wohingegen 53 Prozent eine Abnahme dieser Stunden beklagten. Bicks Fazit: „Die Klassen werden voller und es gibt weniger individuelle Förderung“.

Die Elternsprecherin beklagt eine „massive Veränderung des Schullebens“. So gaben 60 Prozent der Schulen an, dass es keine Klassenreisen mehr gibt, 46 Prozent berichteten vom Ausfall von Sportveranstaltungen und 40 Prozent haben keine Schulfeste mehr. Auch meldeten 56,5 Prozent der Schulen, weniger Zeit für Elterngespräche zu haben. Zudem kündigte jede sechste Schule an, keine Elternsprechtage mehr zu machen. Bick: „Eltern werden in dem Modell nur noch als Zeitdiebe angesehen.“

Auch für Schülergespräche ist weniger Zeit. Klassengrößen von über 30, so Bick, seien nicht selten. 43 Schulen berichteten zudem von Zusammenlegungen zumeist in den Klassen 7 bis 10, in denen Änderungen des sozialen Gefüges wegen der Pubertät als hochproblematisch gelten.

„Ich hätte erheblich negativere Ergebnisse erwartet“, kommentierte Staatsrat Reinhard Behrens die Studie, die Montagabend auf einem Forum von NDR und Abendblatt vorgestellt wurden. Klassenzusammenlegungen habe es „schon immer“ gegeben, auch führten kleine Klassen nicht zu besseren Ergebnissen.

Eingesprungen für den Senator übernahm es Behrens, dem Publikum zu verklickern, dass es bis 2005 eine Evaluation, aber keine Nachbesserungen am Modell gebe. Behrens weiß nur zu gut, dass es dafür keinen finanziellen Spielraum gibt. Er führte für die Behörde die Verhandlungen zum Kita-Gutscheinsystem.