Hysterische Rockrebellion

Ich wünsch mir eine kleine Miezekatze: Aus der Zeitmaschine kommt die Band „Mia“ auf Tour

Die Philosophie von „Mia“ rattert auf der Internetseite wie ein Maschinengewehr

von Marc Peschke

„Frischer Wind aus Berlin“ – diesen eher doofen Titel gaben die Macher des Darmstädter Clubs „Centralstation“ vor einem Jahr einer popmusikalischen Reihe, welche die Protagonisten der neuen Musikszene der Hauptstadt an mehreren Abenden vorstellte. Natürlich durften da auch Mia nicht fehlen. Mia, das ist vor allem die Sängerin Mieze, eine junge Frau, die fest entschlossen ist, jede Bühne in einen Ort hysterischer Rockrebellion zu verwandeln.

Um den Bauch hatte sie damals eine Schärpe mit dem Berliner Bären geschlungen, so viel Lokalkolorit war seit den stadiontauglichen Altbiergesängen der Düsseldorfer Toten Hosen selten. Doch Mia scheinen ohnehin aus einer anderen Zeit zu kommen – aus einer Zeit, als Bands wie Ideal noch „Ich steh‘ auf Berlin“ skandierten, als die Mauerstadt der subkulturellen Jugend als Punkschuppen diente und man sich beim extraschwarzen Kaffee am Morgen über den Atomtod zu unterhalten pflegte.

Schon seit einigen Jahren gibt es eine Renaissance dieses Berliner Lokalpatriotismus, einen „frischen Wind“ – und Mia sind in den vergangenen zwei Jahren neben der Combo Wir sind Helden (Im Gefolge: Quarks, Paula und Co.) zum prominentesten Vertreter der Szene avanciert.

Musikalisch ist Mia nicht ganz so neu. Unter der Tatze von Mieze wird die Pophistorie zum veritablen Selbstbedienungsladen. Mit ihrer Band wirbelt Mieze durch all die wunderbaren Jahre: Die stark verzerrten Maschinengewehr-Gitarren des New Wave klingen heraus, die Reggaeliebelei des Punkrock, der nach Luft schnappende Berliner Rockgöhrengesang und auch die gespielte Hysterie sind beinahe ein Popzitat. Doch eigentlich schauen Mieze und ihre Band viel weiter zurück. Der Rock der siebziger Jahre, Hardrock und Glamrock sind die Großeltern ihrer Musik – und Miezes Gesang hüpft ohne Unterlass zwischen Patti Smith, Nina Hagen und Kate Bush.

Vor allem aber lassen Mia wie kaum eine andere deutsche Band eine leuchtende Idee des Pop wiederauferstehen: Zumindest tun sie so, als ob Rock, Jugendlichkeit, verrückte Frisuren, Diskostroboskope und Rebellentum zwangsläufig zusammengehören würden – als ob die Kids noch anti und allright wären. Bei der letzten Tournee sah das ungefähr so aus: Da wälzten sich die weiß gekleideten Gitarristen mit ihren obligatorischen Nietengürteln wie junge Hunde auf dem schmutzigen Bühnenboden, Mieze fauchte dazu, brachte eine Sirene zum Heulen und versprach ihrem Publikum: „Alles wird wie neu sein.“

Mia lieben zackige Popslogans – und so rattert auch ihre Philosophie auf der Internetseite wie ein Maschinengewehr: „mia sagt das ist elektropunk/dein glied wird erigieren/klotzen nicht kleckern/mach dich stolzer/ehrlich sein, nicht artig sein/mehr wut, wer mut, wer wut, mehr mut“ ist da zu lesen. Und weiter: „mia will anstiften/musik machen/auf der mayday stagediven & die raver gehen nicht zur seite/viehisch im konzert abgehen & danach voll im arsch sein mitten auf der kreuzung berlin – ecke schönhauser livespielen & alle ampeln stehen auf r.o.t.“

Mit dem Debüt Hieb & Stichfest konnten Mia eine Duftmarke in der deutschen Poplandschaft setzen – bei Konzerten spielen sie aber auch einige Coverstücke. Sehr gerne die kleine Berliner Großstadthymne „Heroes“ von David Bowie. Dann sind sie Helden, dann recken sich die Fäuste, Zeigefinger bohren in die Luft – und am Ende gibt es Stroboskoplicht und aufgepeitschte Dancebeats obendrein. Jetzt sind die Berliner mal wieder auf Deutschlandtournee.

heute, hatronica Festival, Hannover; Donnerstag, Grünspan, Hamburg; Freitag, Amadeus, Oldenburg