Wider den Kommerz

Langsamer Abschied vom reinen Techno-Sound: Ex-Punkerin Anne Clark setzt immer stärker auf akustische Instrumente und tourt jetzt, teilweise begleitet von der Anarcho-Band Chumbawamba, durch verschiedene Städte Norddeutschlands

„Ich bin eine lausige Sängerin, daher die Sache mit dem Sprechgesang“

von DIRK SEIFERT

Fragt man nach Anne Clark, bekommt man meistens ein Kopfnicken. Klar, „Sleeper in Metropolis“ heißt es dann. Ach ja, da war doch auch noch „Our Darkness“. Das alles liegt ganz schön weit zurück, spielt so Mitte der 80er Jahre. Seitdem hat die Ex-Punkerin und Techno-Altmeisterin einiges erlebt. Zehn Studio-Alben und diverse Live-Platten hat sie seitdem veröffentlicht. Und ihr Sound hat sich weitgehend gewandelt. Technobeats via Syntheziser und Computer sind bei Anne Clark, die jetzt durch Norddeutschland tourt, heute eher die Ausnahme. So etwa im letzten Jahr, als sie mit Blank & Jones die Single The Hardest Heart aufnahm und der Song auf den ersten Platz der relevanten deutschen Dance-Charts schoss.

Doch spätestens seit Ende der 80er Jahre hat die Syntheziser-Frau ihre Liebe zu akustischen Instrumenten entdeckt. In den folgenden Alben brachte sie davon einiges zunächst zaghaft ein, experimentierte mit dem Mix aus akustischen Instrumenten und programmierten Beats. Sehr zur Irritation ihrer damaligen Plattenfirma Sony widmete sich Anne Clark Ende der 90er Jahre der Vertonung der Gedichte von Rainer Maria Rilke und stieg vollends auf Cello und Klavier um. Das passte nicht ins Sony-Raster; man verweigerte die Veröffentlichung. Kurz darauf brachte Clark das poetische Rilke-Werk Just after Sunset bei einer neuen Plattenfirma raus.

Neu waren derartige Auseinandersetzungen für Clark nicht. In schneller Folge wechselte sie in den 90ern von Virgin über Metronome zu Sony und mit dem Rilke-Album zu Warner Chappell. Jetzt ist sie bei dem eher kleinen Label „netMusicZone“ und hat dort vor kurzem ihr neues Album From the Heart – Live in Bratislava veröffentlicht. Musikalisch ist das komplett akustisch ausgerichtet: Percussion/Drums, Gitarre, Piano und Cello. 14 Songs aus allen Schaffensperioden und natürlich ihre großen Techno-Klassiker. Und es ist durchaus beeindruckend, diese Songs heute zu hören, ohne Computer und trotzdem druckvoll und mitreißend.

Das Album entstand in enger Zusammenarbeit mit Jeff Aug, der nicht nur das Booking für die Band besorgt, sondern auch die Gitarre in der aktuellen Band spielt. Charakteristisch bleibt der Gesang, besser der Sprechgesang von Anne Clark, die selbst sagt: „Ich bin eine ganz lausige Sängerin, daher die Sache mit dem Sprechgesang.“ Und so klingt ihre Stimme in den Songs auch eher wie eine vertonte rhythmische Lesung.

Wer mehr über die Künstlerin wissen will, kann das neuerdings auch per Buch erledigen. Unter dem Titel Notes Taken, Traces Left hat ein Berliner Verlag im Oktober Fotografien, Texte und Interviews von, mit und über Anne Clark herausgegeben. Fast alle ihrer Songtexte finden sich dort auch in der deutschen Übersetzung. Einen Leckerbissen während ihrer derzeitigen Tour werden übrigens die HamburgerInnen und KielerInnen erleben können. Denn für diese beiden Konzerte werden die englischen Anarcho-Musikanten von Chumbawamba ihre elektrischen Instrumente ebenfalls zu Hause lassen und sich in den akustischen Reigen einreihen. Das könnte interessant werden, denn zu den meist vielstimmig gesungenen Songs könnten ein oder zwei akustische Gitarren prima passen: „Tubthumping“ in der Lagerfeuer-Fassung! Als Vorgruppe soll man Chumbawamba aber nicht verstehen. Clark schätzt die Band seit längerem und hat während ihrer letzten Tour bereits deren Album Readymates spielen lassen.

Anne Clark auf Tour: 18.11.: Kiel, Halle 400 (mit Chumbawamba), 19.11.: Hamburg, Markthalle (mit Chumbawamba), 20.11.: Hannover, Pavillon, 21.11.: Bremen, Modernes