Berlin bringt Bremen in Bedrängnis

Der Senat soll Stellung nehmen zu der Berliner Verfassungsgerichts-Klage auf Sanierungshilfe. Kein Gedanke an Stadtstaaten-Solidarität: Die Berliner Argumentation bringt Bremen in große Schwierigkeiten, sagt der Fachmann aus Bielefeld

Bremen taz ■ Am heutigen Dienstag muss der Bremer Senat ganz informell eine unangenehme Sache zur Kenntnis nehmen: Wie alle Bundesländer soll Bremen bis zum 5. Januar Stellung nehmen zur Normenkontrollklage des Berliner Senats, der – genauso wie Bremen es 1992 getan hat – Sanierungshilfe verlangt. Der Berater des Bremer Senats, der Bielefelder Verfassungsjurist Johannes Hellermann, hat ziemlich unverblümt erklärt: Was Bremen auch immer zu der Berliner Klage sagt – es könnte den bremischen Interessen schaden.

Wenn Bremen einfach und solidarisch erklären würde, das Recht auf Sanierungshilfe stehe jedem anderen Haushaltsnotlageland auch zu, könnte es zu einer gewissen „Überforderung“ der Finanzkraft der Geber-Länder kommen, schreibt der Bielefelder Professor in seiner Expertise. Das könnte von Nachteil sein, falls Bremen später selbst noch einmal klagen will.

Wenn Bremen aber die Berliner Ansprüche schlicht ablehnend kommentiert, könnte mit denselben Argumenten auch weitere Hilfe für Bremen abgelehnt werden. Das sollte Bremen also auf keinen Fall tun, solange der Senat noch auf „weitere Sanierungshilfen für Bremen“ drängt, wie Hellermann formuliert. Besonderes schwierig ist die Lage, weil die Berliner Klageschrift sich kritisch von der Bremer Sanierungsstrategie absetzt: Man wolle Sanierungshilfe nicht wie Bremen für Investitionen verwenden, argumentiert der Berliner Senat. Denn in Bremen habe sich ja gezeigt, dass eine Stärkung der Wirtschaftskraft des Landes keine positiven Auswirkungen auf seine Steuer-Einnahmen habe – ein gefährliches Argument für Bremen in einer Situation, in der der Stadtstaat nach neun Jahren Sanierungsmilliarden die Fortsetzung der Hilfen fordert.

Berlin verspricht, mit der Sanierungshilfe die Schulden abzubauen. Die Haushaltslücken sollen nicht wie in Bremen mit der Hoffnung auf steigende Steuereinnahmen geschlossen werden, sondern durch drastische Sparbeschlüsse: Die „Primärausgaben“, laufende Ausgaben ohne Zinsaufwendungen, sollen auf ein Niveau von 123,5 Prozent des Länderdurchschnitts im Jahr 2007 und schließlich 115 Prozent im Jahr 2013 gedrückt werden.

Es könnte sein, dass die Bundesregierung dieses Ziel dankbar aufgreift und auch Bremen auferlegt. Denn bisher werden Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich so behandelt, als hätten sie 135 Prozent der Einwohner, die sie in Wirklichkeit haben: die so genannte „Einwohnerveredelung“. Bremen findet, dass diese 135 Prozent noch viel zu wenig seien, um seine „oberzentralen Funktionen“ zu finanzieren. Der Berliner Vorschlag nimmt also der Bremer Argumentation den Wind aus den Segeln.

Der ehemalige Finanzstaatsrat Günter Dannemann hat für den Senat einmal die „Primäraufwendungen“ Bremens mit denen anderer Stadtstaaten verglichen: Bremen liegt bei jährlich 5.700 Euro staatlicher „Primärausgaben“ pro Nase mit steigender Tendenz, Hamburg liegt deutlich darunter mit 4.500 Euro bei zudem fallender Tendenz. Das Saarland als Sanierungs-Bruder und Flächenland hat gerade mal zwischen 3.000 und 4.000 Euro „Primärausgaben“.

Eine Absenkung der Ausgaben auf 115 Prozent des Länderdurchschnitts lehnt der Bremer Senat strikt ab. Dann, so formuliert der Finanzsenator, könne nämlich keine Rede mehr sein von der „vom Grundgesetz geforderten Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den Stadtstaaten gegenüber vergleichbaren Großstädten“. Kawe