Kein Politikwechsel

George W. Bush und Tony Blair machen al-Qaida für den Anschlag verantwortlich. Der Krieg gegen den Terror müsse weitergehen

BERLIN taz ■ Es war, als hätten die Attentäter von Istanbul sich mit Macht auf die Londoner Tagesordnung drängen wollen: Der Besuch von US-Präsident George W. Bush beim britischen Premierminister Tony Blair in London endete gestern noch etwas schattiger, als er am Vortrag begonnen hatte. Auf dem Weg zur Kranzniederlegung am Grab des unbekannten Soldaten erfuhr Bush von den Bombenanschlägen in Istanbul. Wenige Stunden später, bei der gemeinsamen Pressekonferenz, war es bereits an der Zeit, dass beide Regierungschefs dem türkischen Volk, den Angehörigen der Opfer und der türkischen Regierung ihr Beileid aussprachen. Die Terroranschläge, so Tony Blair, hatten „an das Böse“ erinnert, das ohne Rücksicht auf Menschenleben erbarmungslos zuschlage. Der Anschlag widerspreche allen gemeinsamen Werten: Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für alle. Die Terroristen „hassen die Freiheit“, ergänzte Bush. Grausamkeit sei ein Teil ihrer Strategie.

Beide Regierungschefs ließen keinen Zweifel daran, dass sie islamistische Terroristen von al-Qaida für die Anschläge verantwortlich machen. Schon kurz nach den Anschlägen hatte der britische Außenminister Jack Straw gesagt, die Anschläge trügen für ihn die Handschrift von al-Qaida.

Einig waren sich Bush und Blair darin, den Krieg gegen den Terror unbeirrt fortsetzen zu wollen. Ins gleiche Horn stieß gestern auch Nato-Generalsekretär George Robertson. Die Anschläge im Mitgliedsland Türkei seien ein „Angriff auf die demokratischen Werte, für die die Nato steht“, sagte er, und weiter: „Die Nato und die gesamte internationale Gemeinschaft werden Schulter an Schulter zusammenarbeiten, um die Geißel des Terrorismus auszurotten, die uns alle bedroht, unabhängig von Religion, Kultur oder Nationalität.“

Von den Ankündigungen Blairs, er wolle Bush weg von einem rein militärischen hin zu einem politischen Vorgehen im Kampf gegen den Terror bringen, war zumindest öffentlich beim Besuch in London nicht mehr die Rede. Stattdessen lobten sich die beiden Regierungschefs ausführlich gegenseitig für ihre Freundschaft und ihr festes Engagement gegen das Böse.

Auf die Frage eines ITV-Journalisten, was Bush denn dazu sage, dass in London und anderswo auf der Welt hunderttausende gegen ihn und seine Politik auf die Straße gingen, hatte Bush nur seine Standardantwort übrig, er liebe die Meinungsfreiheit, jeder könne sagen, was er wolle, und es sei im Übrigen schön, dass inzwischen auch in Bagdad demonstriert werden könne.

Seine Meinungsfreiheit nutzte gestern zum allgemeinen Erstaunen auch der ehemalige Chef des sicherheitspolitischen Beratergremiums der US-Regierung, Richard Perle. Laut der britischen Zeitung The Guardian gab der neokonservative Propagandist des Irakkriegs zu, dass die Invasion der USA und Großbritanniens in den Irak illegal gewesen sei. In seiner schon bekannten offenen Art erklärte Perle gestern auf einer Veranstaltung in London, dass „in diesem Fall die internationalen Gesetze dem Dienst für eine gute Sache im Weg standen“. Damit weicht er von der offiziellen Haltung sowohl der Bush-Administration als auch der des britischen Premiers Blair ab. BERND PICKERT, OP