IN GEORGIEN BIETET AUCH DIE OPPOSITION KEINE PERSPEKTIVEN
: Revolution für den Status quo

Eine samtene Revolution, wie in Prag 1989, ist das Ziel der Opposition in Georgien. Präsident Schewardnadse soll zurücktreten, ohne dass Blut vergossen wird, ohne dass das Land in einen Bürgerkrieg getrieben wird. Man kann nur hoffen, dass dieses Vorhaben gelingt und beide Seiten ihre Absage an Gewalt auch praktisch befolgen.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als stießen in Georgien völlig unvereinbare politische und gesellschaftliche Vorstellungen aufeinander. Doch das täuscht. Es geht nicht um den Kampf demokratischer Kräfte gegen einen schlimmen Diktator, sondern allenfalls darum, einen gewählten, aber korrupten Präsidenten vorzeitig von der Macht zu vertreiben, um selbst an die Pfründen zu gelangen. Es stimmt, Schewardnadse hat die Parlamentswahlen fälschen lassen, seine Clique bereichert sich schamlos, und Georgien ist heute nicht viel weiter als vor elf Jahren, als Schewardnadse aus Moskau zurück nach Tiflis kam. Doch was die OppositionsführerInnen, die alle einst zu Schewardnadses politischen Weggefährten gehörten, künftig anders machen wollen, ist weitgehend unbekannt.

Oppositionsführer Saakaschwili, der neue Boss, gilt als ein Mann Amerikas, der das Land, wie Schewardnadse auch, nach Westen führen will. Doch Saakaschwili wird so wenig von Russland loskommen wie zuvor Schewardnadse. Allein die Vermittlungsrolle des russischen Außenministers Iwanow zeigt, wo der Freiraum für georgische Politiker endet.

Außenpolitisch würde sich für Georgien deshalb kaum etwas ändern. Die Schaukelpolitik zwischen Russland und den USA, deren Militärausbilder Schewardnadse bereits ins Land holte, wird bleiben, und Russland wird weiterhin dafür sorgen, dass die Konflikte mit den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Ossetien ungelöst bleiben. Auch wirtschaftlich bleibt Georgien von Russland abhängig, selbst wenn die US-geführte Ölpipeline von Baku über Georgien in die Türkei fertig ist und Geld bringt. Und: Nur Russland kann die Energieversorgung Georgiens gewährleisten.

Im besten Fall wird die Korruption eingedämmt. Das ist zwar nicht wenig, aber es rechtfertigt sicher keinen Bürgerkrieg. JÜRGEN GOTTSCHLICH