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: „African Blues“: Die wundersame Legende des Boubacar Traouré

Sanft, schön und traurig ist die Musik von Boubacar Traouré aus Mali, und genauso wirkt auch dieser Film über ihn. „African Blues“, der Titel des deutschen Verleihers, wirkt da schon zu eindeutig und aufdringlich. Regisseur Jacques Sarasin hat seinen Film „Je chanterai pour toi“ genannt und damit dessen poetische Grundstimmung viel besser auf den Punkt gebracht.

Traouré singt seine Lieder meist alleine, auch Sarasin verzichtet auf eine große filmische Instrumentierung. Ein paar Zeitzeugen erzählen von Traourés Leben. In den 60er Jahren war er der Mann „der den Twist nach Mali gebracht hat“. Auf vergilbten Schwarzweiß-Photos sieht man ihn als tiefschwarzen Halbstarken mit Haartolle und Jeans. Damals kopierte er Elvis und Bill Haley – weiße US-Popstars, die ihrerseits vom afroamerikanischen Rhythm & Blues beeinflusst waren, so dass der Blues via Rock‘n‘Roll nach Afrika reimportiert wurde.

Aber um diese globale Ironie macht der Film nicht viel Aufhebens. Wichtiger ist es, wie optimistisch sich die Musik von Traouré auf den alten Singles anhört. Damals war Mali gerade unabhängig geworden, seine Musik stand für den Beginn einer neuen Zeit. Doch als die Hoffnungen enttäuscht wurden und die Politiker das Land in sozialistischer Misswirtschaft verarmen ließen, wollte auch keiner mehr die Lieder hören, die auf den Kundgebungen gesungen wurden – Traouré verschwand für lange Zeit in der Versenkung.

Er verarmte, wurde Markthändler, traf seine große Liebe und verlor sie an den Tod, ging als Arbeitsemigrant nach Frankreich und wurde dort schließlich von einem englischen Produzenten entdeckt und gefördert. All dies erzählen andere über ihn: alte Freunde, aber auch Menschen, die ihn nie persönlich getroffen haben und stattdessen die Geschichte seines tiefen Falls und Aufstiegs wie eine wundersame Legende aufsagen.

Da merkt man, dass Traouré zu Hause zum Mythos geworden ist. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum er selber nur seine Musik sprechen lässt. Die ist ja auch beredt genug, und Sarasin war so klug, ihn seinen Blues jeweils in einer ununterbrochenen Einstellung interpretieren zu lassen.

Wenn Traouré singend durch die Stadttore von Timbuktu schreitet, dann wirkt das grandioser als jede modische MTV-Schnitt-Orgie. In der sonnendurchfluteten kargen Landschaft von Mali, inmitten der sehr nobel wirkenden Menschen seiner Heimat wirkt die Musik ganz anders, als wenn Traouré sie außerhalb Afrikas spielt.

Einige Bremer können den direkten Vergleich ziehen: Traouré trat vor einer Woche im Schlachthof auf: Dick in seine Jeansjacke eingepackt, wirkte er da verfroren, viel scheuer und verletzlicher als in den afrikanischen Bildern des Films. Aber auch diese Verwandlung hat Sarasin in „African Blues“ eingefangen, denn in der letzten Sequenz sehen wir Traouré bei einem Auftritt irgendwo in Europa – isoliert, angespannt, im unnatürlich gleißenden Scheinwerferlicht.

Wilfried Hippen

Do 18.15, Fr/Sa auch 22.45 sowie Fr-Mi 19.00 im Atlantis als OmU