„Man sollte mich mal ranlassen“

Franz Konz, Obersteuertrickser und Vater der „1000 ganz legalen Steuertricks“, kämpft seit Jahrzehnten gegen das Finanzamt. Ein taz-Gespräch über das verrückte Steuersystem, die Konz-Reform und die überraschende Erkenntnis, dass auch Arme ein Recht auf Steuersparen haben

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN

taz: Herr Konz, Sie scheinen viele Freunde zu haben. Jedenfalls duzen Sie Ihre Leser.

Franz Konz: Wir sind doch alle vom gleichen Steuerleid betroffen.

Sollen wir uns auch duzen?

Wenn Sie wollen …

es käme mir komisch vor.

Der Leser soll mich als Freund empfinden, der es gut mit ihm meint. Es entsteht ein Vertrauensverhältnis. Wenn ich meine Leser nicht duzen würde, hätte ich einige Tipps nicht gewagt.

Welche?

Na, zum Beispiel hätte ich den Lesern nicht empfohlen, Deutschland zu verlassen.

Jetzt ist jedenfalls unübersehbar, dass Sie Ihre Leser zur Steuerflucht aufrufen.

Das ist doch nicht strafbar! Nur die Steuerhinterziehung ist verboten.

Wo ist da der Unterschied?

Bei der Steuerflucht werden legale Schlupflöcher genutzt. Zum Beispiel indem man ins Ausland umzieht.

Sie haben also Verständnis für Herrn Müller von der Müller-Milch, der in die Schweiz ausgewandert ist, damit seine neun Kinder keine Erbschaftsteuer zahlen müssen?

Aber ja! Unser Steuersystem ist verfassungwidirg und unmoralisch. Gucken Sie mal ins Grundgesetz: Da ist die Würde des Menschen geschützt! Die Bürokraten werden immer verrückter und erfinden die unsinnigsten Bestimmungen. Schade ist leider, dass nur die Reichen die Kapitalflucht begehen können. Die Armen müssen hier bleiben und sich ärgern, dass Schumacher abhauen kann.

Warum sind Sie noch im Rheinland und nicht in irgendeinem Steuerparadies?

Ich war zehn Jahre in der Schweiz. Aber wissen Sie, ich bin ein Frauenfan. Ich kann ohne die weibliche Wärme nicht leben, viermal war ich verheiratet. Meine dritte Frau hat sich in der Schweiz nicht eingelebt, die nächste wollte gar nicht erst dorthin.

So schlimm ist es hier ja vielleicht auch gar nicht. Laut Statistik zahlen wir 21, 7 Prozent vom Volkseinkommen. Nur Japan hat eine niedrigere Steuerquote als wir.

Da müssen Sie falsch informiert sein. Wo haben Sie denn diese Zahl her?

Von der OECD.

Aber das zeigt doch den ganzen Quatsch. Die offiziellen Tarife sind weit höher; der Spitzensteuersatz liegt bekanntlich bei 48,5 Prozent. Trotzdem nimmt der Staat viel weniger ein, weil sich die Bürger entziehen.

Wenn man ihre 1.000 ganz legalen Steuertricks liest, dann hat man das Gefühl, dass Steuersparen teuer ist. Am besten ist man mehrmals geschieden, hat uneheliche Kinder, Dienstboten und einen Dienstwagen. Steuersparen scheint etwas für extravagante Lebensläufe zu sein.

Stimmt, Tricksen ist etwas für Besserverdienende. Ein kleiner Arbeiter kann sich kein Arbeitszimmer leisten, der ist auch festgefahren in seiner Ehe. Eine Scheidung wäre für ihn viel zu teuer. Die ganz kleinen Leute kann man nur entlasten, indem man die Steuern drastisch senkt.

Noch drastischer, als es die Bundesregierung schon plant?

Der Staat sollte niemals mehr als zehn Prozent Steuern von seinen Bürgern verlangen, wie es die Kaiser früher getan haben. Er kann damit auch auskommen!

Wir leben aber nicht im Mittelalter. Wir wollen Schulen, Universitäten, Straßen …

Das gab’s früher auch. Der Staat soll ja Steuern bekommen – aber wozu brauchen wir neue Kampfflugzeuge, die langsam verrosten? Es gibt niemanden für uns, gegen den man Bomben werfen könnte. Das kostet aber 18 Milliarden Euro! Wir sollten die Bundeswehr auflösen und nur ein paar Soldaten für Präsentationszwecke behalten, die dann zur Ehrenbezeugung vor Politikern strammstehen können.

Da müssten Sie ja begeistert sein von den neuen Steuervorschlägen der Union. Nur noch drei Stufen von 12, 24 und 36 Prozent – und alles soll ganz einfach werden.

Glauben Sie, dass sich die Bürokraten die Arbeit nehmen lassen, die Steuerzahler zu kujonieren? Außerdem gibt es viel zu viele Interessensgrüppchen. Seit 50 Jahren ist man dabei, die Steuern zu vereinfachen. Da muss man doch lachen.

Aber angenommen, die Unionsvorschläge kämen trotzdem durch. Wären sie gerecht?

Nein. Nehmen Sie die Pendlerpauschale, die abgeschafft werden soll. Wer weite Fahrtkosten hat, wäre dann schlechter gestellt als jemand, der zu Fuß ins Büro kommt. Es ist einfach zu schön zu glauben, man könnte den Menschen gegenüber bei der Steuer gerecht sein. Solange sie zu hoch ist, bleibt sie ungerecht. Aber bei einem Steuersatz von zehn Prozent wäre es egal, was man an Belastungen hat. Man sollte mich mal ranlassen.

Würden nicht Ihre Einnahmen wegbrechen? Ihre Steuertricks wären ja überflüssig.

Der Ratgeber ist sowieso lästig. Seit zwanzig Jahren muss ich täglich drei Stunden daran arbeiten, um all die Gesetzesänderungen, Verordnungen und Finanzgerichtsurteile zu berücksichtigen. Wollen Sie ihn nicht übernehmen?

Wie viele Leser würde ich denn von Ihnen erben?

Jeder Konz verkauft sich jährlich etwa 250.000-mal. Am Jahresanfang stehe ich immer an Platz eins der Bestsellerliste von Gong

der Fernsehzeitschrift?

Genau.

Sind es zufriedene Leser?

Natürlich gibt es gelegentlich Beschwerden. Die Leser wenden einen meiner Tricks an, und das Finanzamt sagt: „Das steht nicht in unseren Bestimmungen“. Dann sagen die Leser: „Das steht aber im Konz.“ Dann sagt das Finanzamt: „Interessiert uns nicht.“

Und dann?

Dann rate ich den Lesern: Besteht darauf! Klagt im Zweifel!

Mit Erfolg?

Na ja, nicht immer. Es gibt auch kluge Leute an den Finanzgerichten, die gute Gegenargumente finden. Außerdem übertreiben manche Leser es auch. Kürzlich hat mir ein Richter gesagt, ich solle doch mal in meinem Ratgeber schreiben, dass die Leute nicht drei Jahre hintereinander beantragen sollen, dass ihr neuer Anzug als Arbeitsmittel abzugsfähig sei, weil sie sich den alten an der Schreibtischkante beschädigt haben.

Klingt wie ein ewiger Kampf zwischen Ihnen und den Finanzämtern.

Für den neuen Steuerkonz 2004 musste ich mir 120 neue Tricks ausdenken. Aber es gelingt immer. Das Steuerrecht ist so kompliziert und verrückt. Ich finde immer wieder Lücken.

Haben sich Ihre Leser in den letzten 20 Jahren verändert? Ist es heute schicker, das Finanzamt auszutricksen?

Im Gegenteil. Den Leuten wird es zu anstrengend. Früher hat ein Leser durchschnittlich 350 Euro mit meinen Steuertricks gespart, heute sind es nur noch 120 Euro. Das errechne ich aus den Zuschriften.

Inzwischen gibts Steuersoftware: unangenehme Konkurrenz?

Überhaupt nicht. Der Große Konz erscheint natürlich auch auf CD-ROM.

Wie ist Herr Konz überhaupt zum Konz geworden?

Ich war Steuerinspektor, bis mir die Bürokratie nicht mehr geheuer war. Am meisten haben mir die Priester und Pastoren Leid getan. Die armen Burschen wurden am schlimmsten besteuert, die konnten noch nicht einmal ihre Hauswirtschafterin absetzen.

Also haben Sie aufgeklärt?

Meine erste Schrift hieß „Lohnsteuerermäßigungsmöglichkeiten für die katholische und evangelische Geistlichkeit“. Das war 1955. Da fanden sich Tipps zu den Hauswirtschafterinnen, aber auch wie die Priester steuergünstig an die Kirche spenden können. Und zwar nicht nur Kerzen … Danach habe ich noch Ratgeber für Angestellte, für Beamte und für Gewerbetreibende geschrieben.

Wie haben Ihre Exkollegen in den Finanzämtern reagiert?

Dreimal kam die Steuerfahndung. 1967 saß ich schließlich ein Jahr in Untersuchungshaft.

Warum?

Wegen angeblicher Anstiftung zum Steuerbetrug – und Beamtenbeleidigung. Am Ende war ich Pleite, und mein Vater musste sein Haus verkaufen.

Aber so richtig abgeschreckt hat es Sie ja nicht.

Als die alten Nazis endlich aus den Richterstellen verschwunden waren, bekam ich wieder Lust, Steuertricks auszutüfteln. Aber ich publizierte nicht mehr im Eigenverlag, da ist man gegenüber den Mächtigen zu schwach. Man braucht einen großen Verlag, der sich einen guten Anwalt leisten kann. Ein Spitzenmann für Strafrecht, das ist wichtig. Das ist auch ein Tipp in meinem autobiografischen Buch, das ich gerade schreibe.

Sie machen selbst Ihre Lebensgeschichte zum Ratgeber?

Die Leute sollen doch gewinnen, wenn sie mich lesen.