Transsexuelle im Hungerstreik

Die 43-jährige Kerstin Z. ist transsexuell und sitzt im Männerknast. Sie will ins Frauengefängnis und eine Operation. Doch die Justizverwaltung mauert

„Ich lasse nicht locker“, sagt Kerstin. Ihre Geschichte ist noch lange nicht zu Ende

Sie werde nicht lockerlassen, hatte die 43-jährige transsexuelle Kerstin Z. angekündigt. Das war vor genau einem Jahr. Damals hatte die Gefangene, die im Männergefängnis eine fünfjährige Haftstrafe wegen Totschlags verbüßt, vor dem Berliner Landesverfassungsgericht eine böse Schlappe erlitten. Weil sie von der Justiz aufgrund ihrer Personenstandmerkmale wie ein Mann behandelt wird, in Wirklichkeit aber an einer Chromosomenveränderung leidet und sich als Frau fühlt, hatte Kerstin Z. seinerzeit die Verlegung in eine Frauenhaftanstalt beantragt. Das Landesverfassungsgericht hatte die Beschwerde jedoch zurückgewiesen und sich damit auf die Seite der Justizverwaltung geschlagen: „Ein Gefangener, der von außen her ein Mann ist, hat im Frauengefängnis nichts zu suchen“, lautet die Rechtsauffassung im Hause von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD).

Ein Jahr war Ruhe. Gestern hat sich Kerstin Z. bei der taz mit der Nachricht gemeldet, sie befinde sich im Hungerstreik. Seit dem 5. Dezember nehme sie außer Vitaminpräparaten und Getränken nichts mehr zu sich. Ihre Forderung sei nach wie vor, in die Frauenhaftsanstalt verlegt zu werden. Außerdem fordert sie ein Hormonbehandlung und eine Geschlechtsangleichung durch eine Operation.

Justizsprecher Björn Retzlaff bestätigte: Frau Z. „verweigert die Anstaltsverpflegung“, allerdings habe sie in der einen Woche nur „minimal“ an Gewicht verloren. Soll heißen: Frau Z. hungert vielleicht nicht ganz so strikt, wie sie behauptet.

Hungerstreik hin oder her – für die Justizverwaltung ist es eine mehr als unangenehme Vorstellung, dass Frau Z. wieder in die Schlagzeilen gerät. Schließlich ist der Fall, der seinesgleichen in der Bundesrepublik sucht, auch so schon kompliziert genug. Dass Transsexuelle ohne geschlechtsangleichende Operation in das Gefängnis ihrer Wahl verlegt wurden, hat es bisher noch nicht gegeben. Auch der Weg, eine Operation durchzusetzen, ist lang. Kerstin Z. müsse zuvor eine mehrjährige Psychotherapie absolvieren, erklärt der Justizsprecher. Dazu sei die Gefangene aber nicht bereit.

Kerstin Z. begründet dies damit, sie nicht transsexuell sei, sondern am Klinefelter-Syndrom leide, einer Cromosomenveränderung. Sie sei also intersexuell, sagt sie. Mit zunehmendem Alter komme es bei ihr zur verstärkten Ausschüttung weiblicher Hormone, was zur Entwicklung von Brüsten führe. Sie halte es mit der „Gesellschaft für Transexualität und Intersexualität“. Deren Rechtsauffassung ist eine andere: Um eine Operation zu genehmigen, dürften bei Intersexuellen nicht so viele bürokratische Hürden aufgebaut werden wie bei Transsexuellen.

Doch nicht nur Kerstin Z. kämpft mit der Situation, auch die Justizverwaltung hat es nicht leicht: Die Insassin, die 120 Kilogramm wiegt, ist auch auch im persönlichen Umgang nicht gerade unkompliziert. Als ihre Strafe rechtskräftig wurde, wurde Kerstin Z. von der Untersuchungshaftanstalt Moabit in das Männergefängnis Plötzensee verlegt. In Moabit war die Person in Frauenkleidern so manchen Schikanen – nicht nur von Seiten der Gefangenen – ausgesetzt gewesen. Das ungleich viel härtere Klima der Justizvollzugsanstalt Tegel hatte Kerstin Z. wohl schwer zugesetzt. „Wenn ich nach Tegel komme“, hatte sie damals gesagt, „hänge ich mich auf.“ In Plötzensee, sagt Kerstin Z. sei das Leben in der Hinsicht leichter, dass sie von den Insassen kaum angefeindet werde. Im Gegenteil: Weil sie keine Arbeit habe und kein Taschengeld bekomme, verdiene sie sich im Knast ein Zubrot, indem sie auf den Strich gehe.

Das mag der Justizsprecher nicht bestätigen. Kerstin Z. befinde sich aber in einem Haus, wo auch offener Vollzug praktiziert werde. „Ich lasse nicht locker“, sagt Kerstin Z. Es hat den Anschein, als ob die Geschichte noch lange nicht zu Ende ist.

PLUTONIA PLARRE