In Frankreich hat Gott schulfrei

Präsident Chirac spricht sich dafür aus, religiöse Kopfbedeckungen und Insignien gesetzlich aus den Klassenzimmern zu verbannen. Religionsführer und Lehrergewerkschaften dagegen

PARIS afp/taz ■ In Frankreich soll das Tragen von Kopftüchern und anderen „zur Schau gestellten“ religiösen Insignien in Schulen gesetzlich verboten werden. Staatspräsident Jacques Chirac stellte sich gestern Nachmittag hinter die entsprechende Forderung einer Expertenkommission, die in ihrem vergangene Woche abgelieferten Bericht ein umfassendes Verbot sichtbarer Kleidungsstücke und Symbole mit religiöser Bedeutung sowie sichtbarer Zeichen politischer Loyalität gefordert hatte, um religiöse Konflikte aus den Klassenzimmern fern zu halten.

Chiracs gestrige Rede vor 400 Gästen im Elysée-Palast soll den monatelangen Streit um das Für und Wider eines gesetzlichen Kopftuchverbots beenden. Premierminister Jean-Pierre Raffarin sowie der Chef der gaullistischen Regierungspartei UMP (Union der Präsidialmehrheit), Alain Juppé, haben sich bereits für ein Verbot ausgesprochen. Führende Religionsvertreter – Muslime wie auch Christen – und einzelne Politiker wie Innenminister Nicolas Sarkozy und Grünen-Chef Gilles Lemaire lehnen das Verbot hingegen ab.

Auch drei Lehrergewerkschaften, die die Mehrheit der französischen Schullehrer vertreten, und mehrere Menschenrechtsgruppen sprechen sich gegen ein gesetzliches Kopftuchverbot aus, weil es persönliche Freiheiten beschneide und in der Praxis einfach Aufsässigkeit von Teenagern kriminalisiere. In einem gemeinsamen Aufruf lehnen sie „jede Stigmatisierung“ ab und verlangen die Anwendung der bestehenden Gesetze zum laizistischen Bildungswesen.

Nicht zu Eigen machte sich Chirac den Vorschlag der Expertenkommission, als Geste für Juden und Muslime den jüdischen Feiertag Jom Kippur und das muslimische Aid-Fest zu gesetzlichen Feiertagen zu erklären. Dies war auf breiten Protest vor allem seitens der katholischen Kirche gestoßen, da die Regierung soeben erst den Pfingstmontag als gesetzlichen Feiertag abgeschafft hat. D.J.

brennpunkt SEITE 3, interview SEITE 12