Wo Kultur ist, wächst das Rettende auch

Mit ihrer Absage an die Kulturstiftung der Länder macht Staatsministerin Weiss der Föderalismusdebatte Beine

Endlich können Deutschlands Politiker wieder auf einen gesunden Nachtschlaf hoffen. Sitzungen bis halb vier Uhr früh, wie vorige Woche im Vermittlungsausschuss, soll es künftig nicht mehr geben – ein Ziel, das seit dem Wochenende ein Stück greifbarer geworden ist. Denn Christina Weiss, zuständige Staatsministerin des Bundes, kündigte ihren Ausstieg aus der Kulturstiftung der Länder an. Der Bund wird sich künftig auf seine eigene Stiftung konzentrieren.

Wie bitte? Was hat diese winzige Stiftung mit den Mechanismen zu schaffen, die hierzulande die Milliardensummen im Sozialbereich verteilen? Sehr viel. Denn Deutschlands Politiker haben die Kulturpolitik zum Experimentierfeld für den Umbau des Bundesstaats erkoren – nicht obwohl, sondern gerade weil sie so unwichtig ist: Wenn es schief geht, sind größere Schäden nicht zu befürchten. Obendrein haben sich die Kompetenzen von Bund und Ländern bei der Kultur derart heillos verknäult, dass Abhilfe besonders nötig scheint. Wo Gefahr ist, da wächst – nach Hölderlin – das Rettende auch.

Die Lage ist nicht anders als in der großen Politik: Die Länder wachen zwar argwöhnisch über ihre Kompetenzen, aber wenn es ums Geld geht, nehmen sie die Hilfe des Bundes gerne an. Wo immer der Gesamtstaat sein Geld ausgeben will, muss er sich dafür die Erlaubnis von den Ländern holen – ob es um die Filmförderung geht oder um die großen Museen des preußischen Kulturbesitzes in Berlin, um die Gedenkstätten oder um die besagte Kulturstiftung der Länder.

Bereits Weiss’ Vorgänger Julian Nida-Rümelin hatte einen Anlauf unternommen, sich mit den Ländern auf eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zu verständigen, nach dem Prinzip: Gibst du mir das Goethehaus in Weimar, dann bekommst du die Staatsoper in Berlin. Aber statt klarer Verhältnisse stand am Ende des Tauziehens bloß die Festschreibung des Status quo. Damit schien der Beweis erbracht, dass der deutsche Föderalismus unreformierbar ist.

Weil sich die Länder so hartleibig zeigten, musste Nida-Rümelin auch sein Lieblingsprojekt zunächst alleine durchboxen: die Gründung jener Kulturstiftung des Bundes, von der schon Willy Brandt während seiner Kanzlerschaft geträumt hatte. Eine spätere Fusion mit der bestehenden Kulturstiftung der Länder hielt sich der Staatsminister bewusst offen, doch in der vergangenen Woche ist dieser Plan endgültig gescheitert. Die bayerische Forderung nach einem Vetorecht für jedes Bundesland mochte der Bund nicht akzeptieren.

Im Gegenzug will sich die Staatsministerin jetzt aus der Länderstiftung ganz zurückziehen – und damit zumindest auf dem Feld des Stiftungswesens endlich die ersehnte Abgrenzung vollziehen. Offenbar musste sich der Karren erst völlig festfahren, bis ihn die Staatsministerin mit einem Ruck befreien konnte. Das ist eine Hoffnung, die nach dem aufreibendsten Vermittlungsverfahren aller Zeiten jetzt auf der großen Bühne keimt. RALPH BOLLMANN