Wohlfahrtsverbände gegen Pflichtdienst

Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz suchen längst nach Alternativen zum Zivildienst. Ein Pflichtjahr für alle lehnen die meisten Träger ab. Sie wollen, dass das freiwillige soziale Jahr gesellschaftlich mehr gefördert wird. Offen bleibt: Wer soll das bezahlen?

VON GESINE WULF

Während sich einige Politiker für ein soziales Pflichtjahr als Ersatz für den Zivildienst stark machen, lehnen die meisten Wohlfahrtsverbände diesen Vorschlag ab. „Freiwilligkeit ist entscheidend für die Qualität der Arbeit“, sagte Roland Lehmann, Sprecher der Diakonie, der taz. „Wenn junge Leute verpflichtet wären, würden einige bestimmt nicht den Einsatz zeigen, den wir wünschen. Schließlich arbeiten wir mit Menschen.“

Die Diakonie hält auch aus theologischen und juristischen Gründen wenig von dem Vorstoß des baden-württembergischen Sozialministers Friedhelm Repnik (CDU), der für das neue Jahr eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines sozialen „Gesellschaftsjahres“ plant.

Auf die Ankündigung von Familienministerin Renate Schmidt (SPD), neben der Wehrpflicht auch den Zivildienst abschaffen zu wollen, reagierten Wohlfahrtsverbände wie die Caritas, die Diakonie und das Deutsche Rote Kreuz wenig überrascht. Schließlich sind sie selbst in der Kommission des Ministeriums vertreten, die seit Mai berät, wie der Wegfall von derzeit 93.500 Zivildienstleistenden verkraftet werden könnte.

Auf eine Zukunft mit immer weniger Zivis stellen sich die Verbände schon seit einigen Jahren ein. Seit 1990 wurde die Dauer des Zivildienstes von 24 Monate auf zehn Monate verkürzt. Eine zeitliche Anspassung an die neun Monate Wehrdienst ist geplant. Gleichzeitig ging und geht die Zahl der Zivildienstleistenden durch geburtenschwache Jahrgänge und die Verkleinerung der Bundeswehr stark zurück. 2003 waren 26.000 weniger Zivis im Einsatz als noch 2002.

Diakoniepräsident Jürgen Gohde wollte sich zu den genauen Zukunftsplänen noch nicht äußern, versicherte aber, dass die Diakonie darauf vorbereitet sein werde, falls der Zivildienst abgeschafft würde. Auch die Caritas habe ihren Einrichtungen schon lange geraten, sich nicht zu sehr auf Zivis zu verlassen, sagte ihr Sprecher Thomas Broch der taz. „Aber für einzelne Einrichtungen, vor allem in der Pflege sowie der Kinder- und Jugendhilfe wird es schwieriger werden, wenn Kräfte fehlen.“ Broch erwartet, dass der Caritas 21 Millionen Euro an staatlicher Unterstützung pro Jahr fehlen würden. Die Diakonie geht davon aus, dass die Leistung von zehn Zivis durch sechs bis sieben Fachkräfte ersetzt werden müsste.

Langfristig setzen die Verbände auf einen anderen Ersatz für den Ersatzdienst: das freiwillige soziale Jahr. Die Diakonie präsentierte im Herbst bereits eine eigene Strategie für die „Konversion des Zivildienstes“. Sie will den Zivildienst in einen „Lerndienst“ umwandeln. Der Anreiz zum freiwilligen sozialen Dienst soll das soziale Lernen sein. „Freiwillige Dienste sollten nicht entlohnt werden“, so der Diakonie-Sprecher, „um diesen Einsatz nicht aus Berechnung attraktiv zu machen.“ Gleichwohl könnte er gesellschaftlich gefördert werden, indem etwa Bonuspunkte für die Wartezeit beim Studium erworben werden könnten.

Das Hauptproblem für einen Ausbau des freiwilligen sozialen Jahres bleibt jedoch die Finanzierung. Zurzeit zahlt der Bund rund 1.400 Euro pro Zivi-Stelle dazu. Ganz sicher erwarten die Wohlfahrtsverbände für die Betreuung eines gesellschaftlich erwünschten Engagements eine Kompensation. Die Zivildienstkommission wird Mitte Januar ihr Konzept vorstellen.