Elite braucht von allem mehr

Mehr Geld, mehr Zeit, mehr Nachwuchsförderung – das wünschen sich Rektoren und Präsidenten angesehener Unis. Bislang verwalten sie den Mangel

VON CHRISTIAN FÜLLER

Für Bernd Huber war das mit der Elite-Uni gestern so eine Sache. Da saß der Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität in München, um sich über die Zukunft seiner Hochschule zu äußern. Es ist der Tag nach der Verheißung, nach dem Angebot der SPD, zehn deutsche Universitäten an die Weltspitze katapultieren zu wollen.

Aber es ging so gar nicht um Elite, also um mehr Leistung, mehr Geld oder mehr Wissen. Sondern der neue bayerische Wissenschaftsminister war zu Besuch. Thomas Goppel (CSU) freilich redete die SPD-Idee kurz und klein. Der Rektor der Hochschule, die in manchem deutschen Ranking Platz 1 einnimmt, blickte seinen Minister ausdauernd von der Seite an. Und schwieg.

Das ist die Situation an Deutschlands 80 Universitäten, die für die Top Ten akademischer Eliteschmieden grundsätzlich in Frage kämen: Der Bund bietet sehr vage mehr Geld für gutes Forschen und Lehren an. Und die Landesminister sagen sehr konkret, wie viel Geld die Unis im Jahr 2004 weniger bekommen. Der Maximilians-Uni etwa wird 2004 ein Minus von 12 Millionen Euro bringen. „Wir wollen nicht jammern“, sagte Bernd Huber der taz, „sonst hört uns keiner mehr zu.“

Nicht jammern? Nicht mäkeln? Eine kleine Umfrage der taz unter Rektoren und Präsidenten der akademischen Creme gab drei Wünsche für die Zukunft frei – und bekam zunächst den Verweis auf die Vergangenheit und die triste Gegenwart. „Wir sehen uns massiv ausgebremst“, klagte ein Uni-Chef – und fasste damit in freundlichen Worten zusammen, was den Rektor der Universität Düsseldorf an die Decke gehen ließ: Das fatale Zusammenspiel zwischen staatspolitischer Realität und parteipolitischer Vision. Der Staat regiere überall mit Kürzungen in die Hochschulen hinein, sagte Alfons Labisch zu Spiegel-online, und dann „zieht eine ratlose SPD einen Joker aus der Tasche“.

Die Chefs der Hochschulen wissen allerdings auch sehr genau, was ihnen gut täte. Ihre Forderungen lauten: „Entschieden mehr Geld“ (Burkard Rauhut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen; Dieter Lenzen, FU Berlin). „Bessere Möglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler – vor allem aus dem Ausland“ (Bernd Huber, LMU München). „Mehr Zeit, um über wissenschaftliche Probleme nachzudenken“ (Horst Hippler, Uni Karlsruhe). „Mehr Freiheit, weniger Regulierung“ (Horst Kern, Georg-August-Uni Göttingen).

Und dann doch etwas wie Hoffnung. Aachens Burkard Rauhut freut sich, dass es eine neue Hochschuldebatte gebe. „Man merkt, dass sich da etwas Angestautes löst.“ Der Mathematiker meinte damit besonders die Frage nach der Verteilung der Mittel. „Es geht, auch bei der SPD, offenbar mal nicht um die Frage, wie wir alle gleich behandeln können.“

Der Präsident der FU Berlin, Lenzen, befand als Einziger eindeutig über die SPD-Vorschläge: „Das ist der richtige Weg.“ Lenzen, der Erziehungswissenschaftler ist, widersprach aber seinem Aachener Kollegen, der mehr Ungleichheit unter den Hochschulen wünscht. Für Lenzen ist es wichtig, den Vorteil des deutschen Unisystems – die durchgehend hohe Qualität – um die Spitzenförderung von exzellenten Fachbereichen zu erweitern. „Das darf nicht auf Kosten der anderen Hochschulen gehen“, sagte er – und zeigte die USA als abschreckendes Beispiel. „In den Staaten gibt es 4.800 so genannte Hochschulen, die teilweise gar nicht forschungsbasiert lehren. Aber wir reden nur über die zehn besten.“

Die Frage, was eine Elite-Uni überhaupt ausmacht, konnte die deutsche Rektorenelite nicht zweifelsfrei beantworten. Den Kern beschreiben indes alle gleich: Sie hat die besten Professoren, die erfolgversprechendsten Nachwuchsforscher, die aufmerksamsten Studenten. Um die zu bekommen, braucht es zunächst die Auslese. Hochschule und Studenten müssen sich gegenseitig beschnuppern, um auch Nein sagen zu dürfen. Diese Auswahl von Studierenden durch Note, Interview und/oder Lebenslauf ist zugleich ein Paradox. Denn die 320 Hochschulen dürfen bereits ein Viertel ihrer Studenten auswählen, bald soll es sogar die Hälfte sein. Aber sie wählen meist nicht. Nicht mal Elite-Befürworter Burkard Rauhut nutzt die Möglichkeit. „Diesen Tort tun wir uns nicht an. Das macht viel Arbeit“, sagte er, „und hinterher kommen abgelehnte Bewerber über Wartezeit doch rein. Das macht keinen Sinn.“

Um die besten Köpfe an die Unis zu holen, gibt es noch ein zweites Instrument: Geld. Alle befragten Rektoren sprachen von einem Wettbewerb um die teuersten Professoren und die gewitztesten Forscher, in dem die Hochschulen immer schlechter statt besser dastehen. „Mit einem stetig gleich bleibendem Etat können sie kein internationales Spitzenpersonal abwerben“, klagte Göttingens Horst Kern stellvertretend für die Kollegen. Auch seiner Uni wurden für 2004 zwölf Millionen Euro aus dem Etat gestrichen.

Wie viel mehr Geld deutsche Elite-Unis insgesamt kosten würden, schätzte Dieter Lenzen von der FU Berlin: zehn Milliarden Euro. Das entspricht genau dem zusätzlichen halben Prozentpunkt an Forschungsmitteln (gemessen am Sozialprodukt), den die SPD am Dienstag in Aussicht gestellt hat.

Mitarbeit: Maximilian Haegler, Florian Oels