Fahrt schwarz, Grottian zahlt‘s

Aktionsbündnis will am Samstag mit massivem Schwarzfahren das Recht auf Mobilität einfordern. Eventuelle Bußgelder werden von den Initiatoren erstattet. Vergünstigungen für Geringverdiener sollen im Januar im Senat diskutiert werden

von ANNA LEHMANN

Peter Grottian hatte schon im Dezember vorgemacht wie es geht: „Wenn der Kontrolleur jemanden beim Schwarzfahren erwischt, dann seid zur Stelle und fangt an zu diskutieren: ‚Finden Sie es gerecht, ausgerechnet bei denen abzukassieren, die sich ein Ticket nicht mehr leisten können?‘ “ Der FU-Politologe hatte sich der Anschaulichkeit halber erhoben und putzte einen imaginären Kontrolleur vor einem skeptisch blickenden Studentenpublikum herunter.

Doch die Idee überzeugte. Bestrebt, auch andere Themen als die eigenen hochschulpolitischen zu besetzen, beteiligen sich Studierende der bestreikten Hochschulen an dem Sozialbündnis, das den kommenden Samstag zum Schwarzfahrertag proklamierte. „Wir werden die Proteste gegen den Wegfall des Sozialtickets mit fantasievollen Aktionen begleiten“, erklärt Dana Jirous von der Freien Universität.

Der Trägerkreis „Recht auf Mobilität – Fahrt Schwarz“ hat Berliner, die weniger als 700 Euro im Monat zur Verfügung haben, am Samstag zwischen 10 und 18 Uhr zum Schwarzfahren mit S- und U-Bahn aufgefordert. Dem Armutsbericht der Sozialverwaltung für Soziales zufolge beträfe es 436.000 Menschen in der Stadt. Doch Grottian würde sich schon über ein paar tausend Mitfahrer freuen. Mit dieser Form des zivilen Ungehorsams wolle man die „soziale Kahlschlagspolitik“ anprangern, erklärt der Professor.

Die Verkehrsbetriebe haben angekündigt, die Kontrollen übermorgen zu verstärken. Grottian trägt es mit Fassung. Die Drohung sei erwartbar gewesen, ob sie umgesetzt werde, müsse man sehen. Die fälligen Bußgelder wollen der Professor und seine Mitstreiter aus eigener Tasche bezahlen. Die Knöllchen können ab 13 Uhr am Brandenburger Tor eingelöst werden. Grottian, der 1995 eine ähnliche Aktion angeschoben hatte, verweist auf die damaligen Kosten – rund 400 Mark. Gerichtskosten könne man allerdings nicht übernehmen. Deshalb sollen Schwarzfahrer, die bereits mehrmals erwischt wurden, auf die Teilnahme verzichten.

Das Ticket für Sozialhilfeempfänger im Wert von 20,40 Euro bieten die VBB seit dem 1. Januar nicht mehr an, da der Senat seine Zuschüsse um 18 Millionen gekürzt hatte. Dafür können sich die Betroffenen ihre Fahrtkosten beim Amt erstatten lassen.

Peter Storck, Pfarrer der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg, kritisiert, dass viele den bürokratischen Aufwand scheuten und ganz zu Hause blieben. In der Kirche findet jeden Mittwoch ein Treffen für Arme und Obdachlose statt. Zu Jahresbeginn registrierte der Pfarrer einen deutlich geringeren Zulauf.

Ab April sollen auf Beschluss der VBB auch die Vergünstigungen für Rentner und Arbeitslose fallen. Rositha Steinbrenner, Sprecherin von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS), beschwichtigt, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Im Januar werde das Sozialticket erneut Gegenstand der Debatte im Senat sein. Dabei werde auch der Vorschlag von Knake-Werner diskutiert, ein allgemeines Sozialticket von 39 Euro für schlecht Situierte einzuführen. „Das würde sogar eine Ausweitung bedeuten, da schlecht entlohnte Berufstätige die normale Monatskarte kaufen müssen.“ Der Trägerkreis „Recht auf Mobilität“ geht sogar noch weiter. Die Mitglieder fordern für Geringverdiener ein Monatsticket für 10 Euro.