Richter hassen DNA-Tests

CDU/CSU will den genetischen Fingerabdruck „entbürokratisieren“. Auch Richter fordern die „Entmystifizierung“

VON CHRISTIAN RATH

„Rückschlüsse auf Persönlichkeitsmerkmale, Eigenschaften und Aussehen des Täters sind nicht möglich“, heißt es im CDU-Antrag zur konsequenten Nutzung des genetischen Fingerabdrucks. Mit dem Antrag, über den morgen im Bundestag abgestimmt wird, will die Union erreichen, dass die Polizei künftig DNA-Profile auch ohne richterlichen Beschluss erstellen kann. Bemerkenswert: Auch die Richter halten ihre Mitwirkung hier für überflüssig.

DNA-Profile werden aus dem Erbmaterial von Verdächtigen gefertigt, um sie mit Spuren am Tatort zu vergleichen. Dieser genetische Fingerabdruck besteht aus sechzehn Ziffern ohne eigenen Aussagewert. Sie dienen nur der Identifizierung. Es handelt sich um keinen Gentest, mit dem gezielt nach bestimmten Erbinformationen gesucht wird. Weil dies oft missverstanden wird, hat der Gesetzgeber die Anwendung dieser Ermittlungsmethode mit einem so genannten Richtervorbehalt verbunden. Ein Richter muss heute genehmigen, wenn Speichel für das DNA-Profil entnommen wird, wenn er untersucht wird und wenn das DNA-Profil zum späteren Abgleich mit Spuren in der Wiesbadener Analyse-Datei gespeichert wird. Selbst wenn nur eine anonyme Tatortspur untersucht werden soll, muss ein Richter gefragt werden.

Die Union will das alles abschaffen. Weil der genetische Fingerabdruck keine sensibleren Informationen enthält als ein normaler Fingerabdruck, soll er diesem rechtlich gleichgestellt werden, das heißt: er soll Teil der normalen „erkennungsdienstlichen Behandlung“ werden. Immer wenn eine Rückfallgefahr besteht, soll die Polizei Fotos, Fingerabdrücke und auch das DNA-Profil nehmen und speichern dürfen. Derzeit sind in Wiesbaden die Fingerabdrücke von rund 3,2 Millionen Personen gespeichert, aber nur 275.000 DNA-Profile.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert diese „Entbürokratisierung“ schon lange. Der taz liegt aber auch ein bisher nicht veröffentlichtes Gutachten des Deutschen Richterbundes (DRB) vor, das in die gleiche Richtung weist. Im Auftrag des Justizministeriums hat die Große Strafrechtskommission des DRB untersucht, wo Richtervorbehalte ausgebaut, eingeschränkt oder anders gehandhabt werden müssen. Ausführlich wird dabei der Richtervorbehalt zum DNA-Profil kritisiert. Der genetische Fingerabdruck müsse „entmystifiziert“ werden. Der Richtervorbehalt könne wegfallen. Die Richter wollen ihre Zeit sinnvoller einsetzen, als alltägliche kriminaltechnische Untersuchungen zu genehmigen.

Auch aus der Bundesregierung gibt es immer wieder Vorstöße in diese Richtung. Insbesondere Innenminister Otto Schily (SPD) und Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, haben sich so geäußert. Doch vermutlich sind von Rot-Grün nur kleine Änderungen zu erwarten. Wegfallen wird der Richtervorbehalt wohl nur bei der Untersuchung anonymer Tatortspuren. Ansonsten wird auf das neue Sexualstrafrecht verwiesen, das am 1. April in Kraft tritt. Es erleichtert die Speicherung von DNA-Profilen. Als Anlasstat genügt dann bereits jede Sexualstraftat.

Doch auch weiterhin soll ein Richter zum Beispiel vor der Speicherung des DNA-Profils prüfen, ob der Betroffene später noch einmal eine erhebliche Straftat begehen könnte. Diese Speicherung hätte nur dann Folgen, wenn tatsächlich das gleiche Erbmaterial an einem künftigen Tatort gefunden wird. Ansonsten bleibt die Speicherung vertraulich. Ein Polizeifoto wird dagegen unzähligen Opfern anderer Straftaten vorgelegt, vielleicht sogar den Nachbarn und Kollegen. Doch dafür gibt es keinen Richtervorbehalt und es fordert ihn auch niemand. Man ahnt: Die Richter würden auf die Barrikaden gehen, wenn sie künftig auch jedes Polizeifoto vorab genehmigen müssten.