Studentin klagt Bundesregierung an

Übermorgen steht die Münsteranerin Franziska Senze in Frankfurt vor Gericht. Die Politik-Studentin hatte im März 2003 gegen die indirekte Beteiligung Deutschlands am Irak-Krieg demonstriert. „Das war eindeutig Verfassungsbruch“

MÜNSTER taz ■ Die Münsteraner Kriegsgegnerin Franziska Senze steht „wegen Nötigung“ ab Donnerstag in Frankfurt vor Gericht. Die Politik-Studentin hatte im vergangenen März mit anderen DemonstrantInnen vor der Frankfurter Rhein-Main-Airbase der US-Armee an einer Sitzblockade gegen den Irak-Krieg teilgenommen. Als die Demo sich unangemeldet vom Haupttor zum Südtor ausweitete, wurde Franziska Senze mit anderen Protestierern von der Polizei dort weggetragen.

Franziska Senze wird im schlimmsten Falle ein paar hundert Euro Strafe zahlen müssen, höchstwahrscheinlich jedoch freigesprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1995 befunden, dass Sitzblockaden im Normalfall keine Gewaltaktionen sind. Das Hauptziel der Kriegsgegnerin ist auchh ein anderes: „Ich will, dass ein deutsches Gericht den Verfassungsbruch der rot-grünen Regierung bestätigt“, so die Politik-Studentin. Die Regierung hätte gegen Artikel 25 des Grundgesetzes verstoßen, der die Vorbereitung eines Angriffkrieges verbiete. Sie hofft den Fall vors Bundesverfassungsgericht bringen zu können. „Das Vorhaben wird nicht so einfach“, meint Philipp Boos von der internationalen Juristenvereinigung für gewaltfreie Friedensgestaltung (IALANA). Es wäre schwer, einen deutschen Strafrichter dazu zu bringen, sich zur Legalität des Regierungshandelns im Irak-Krieg zu äußern.

Der Studentin geht es neben moralischen und politischen Gründen hauptsächlich um den rechtlichen Bruch: „In keinem Krieg waren sich Verfassungsrechtler so einig über das völkerrechtswidrige Handeln der USA wie im Irak-Krieg“, sagt die Angeklagte. Trotzdem habe Deutschland für die Kriegskoalition Überflugsrechte gewährt: „Wenn der Krieg illegal war, dann ist auch die indirekte Form der Beteiligung illegal“, sagt sie.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hätte zwar öffentlich kundgetan, dass sich unter seiner Führung Deutschland nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen würde. Kurz darauf hätte man auf der Website der Bundesregierung jedoch lesen können: „...aber es sei selbstverständlich, dass die Bewegungsfreiheit unserer Freunde nicht eingeschränkt würde.“ Dabei bezog sich die Bundesregierung auf NATO-Vereinbarungen, die man einhalten müsse. „Dieser Angriff war aber kein NATO-Krieg“, so Senze. Und deshalb sei zum Beispiel mit der Genehmigung von Überflugsrechten die Verfassung gebrochen worden. Der Bundeskanzler hätte jedoch die Frage nach geltendem Recht und Gesetz gemieden, er wollte „keine Juristerei betreiben.“

Übrigens wird der Münsteranerin im Strafbefehl nicht nur vorgeworfen, sich gegen die militärische Intervention im Irak „im Protest niedergelassen“ zu haben. Gleichzeitig wird sie angeklagt, gegen „die Abschiebung ausländischer Personen auf dem Luftwege über den Flughafen Frankfurt am Main“ und „die Erweiterung des Flughafens Frankfurt am Main durch den Bau weiterer Landebahnen“ illegal demonstriert zu haben. „Die Frankfurter Staatsanwälte hören nurDemo am Flughafen und drücken anscheinend automatisch auf einen Knopf“, sagt die Angeklagte, die den Rundumschlag vor Gericht von sich weisen wird.

Selbstbewusst geht die 24-Jährige in den Prozess, der – wenn sie sich wirklich bis zu höchsten Instanz durchkämpfen sollte – bis zu zwei oder drei Jahren dauern kann. „Ich sehe den Prozess als meine Bürgerpflicht“, sagt Senze. Sie wolle damit gegen die Gewöhnung an völkerrechts- und verfassungswidrige Handlungen kämpfen. „Diese dürfen nicht zur Normalität werden.“

NATALIE WIESMANN