Strohmann-Gesetz

Kartellamts-Chef Ulf Böge warnt vor geplantem Fusionsgesetz. Mit dem seien sinistre Geschäfte und theoretisch ein Pressemonopol möglich

AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG

Der Konflikt zwischen Bundeswirtschaftminister Wolfgang Clement (SPD) und Bundeskartellamtspräsident Ulf Böge spitzt sich zu: Er sehe „keine Gründe für eine Änderung der Fusionskontrolle“ im Pressebereich, sagte Böge am Mittwochabend auf einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Die von Clement formulierten Neuregelungen, die im März Gesetz werden sollten, seien außerdem ungeeignet, den von der Medienkrise betroffenen kleinen und mittleren Verlagen zu helfen. Vielmehr gehe es den „großen Verlagen darum, ihre Marktposition ungehindert aufbauen zu können“.

Denn künftig dürften Verlage beliebig hinzukaufen, wenn sie sich verpflichten, die eingesackten Titel weiterzuführen und ein Viertel der Anteile beim Alteigentümer belassen oder an einen Minderheitseigner weiterreichen. Dieser Juniorpartner hätte in einem solchen „Redaktionsmodell“ per Gesetz auch Einfluss auf die redaktionelle Richtung des Blattes und könnte bei der Besetzung wichtiger Positionen, zum Beispiel der Chefredaktion, ein Veto einlegen.

Schon das Anheben der Schwelle, ab der Fusionen beim Kartellamt angemeldet werden müssen, von heute 25 Millionen auf dann 50 Millionen Euro Umsatz wird laut Böge zu einem deutlichen Konzentrationsschub in der Presselandschaft führen. „Die Auswahlmöglichkeiten für den Leser würden damit weiter eingeschränkt“, so Böge – obwohl in der Begründung der Kartellrechts-Neufassung immer von der Förderung der Pressevielfalt die Rede sei.

Doch eine solche Erhöhung der Kartellschwelle sei noch „harmlos im Vergleich zum Redaktionsmodell“, in dem „Strohmanngeschäfte geradezu angelegt“ wären: Theoretisch sei sogar ein komplettes Pressemonopol nicht mehr zu verhindern, solange jeweils Juniorpartner zur Verfügung stünden. Böge warnte auch vor Überkreuzbeteiligungen großer Verlagskonzerne, die sich je nach Bedarf dann gegenseitig als Minderheitseigner einsetzen könnten.

Die Zeitungsverleger haben diese kruden Regierungspläne trotzdem einstimmig „im Grundsatz“ begrüßt. Allerdings sieht auch der Präsident des Bundesverbandes Deutsche Zeitungsverleger (BDZV), der Kölnische Rundschau-Verleger Helmut Heinen, noch erheblichen Klärungsbedarf. Es handele sich um einen „sehr politischen Referentenentwurf“, der „schwierige Details“ enthielte, „wo man gar nicht weiß, was die Regelung wirklich bedeuten soll“, so Heinen zur taz. So lehne der BDZV eine fortlaufende Kontrolle der redaktionellen Ausrichtung betroffener Blätter ab. Insgesamt sei der Entwurf aber durchaus geeignet, auch für kleinere und mittlere Zeitungen Erleichterungen zu bringen. Dass die großen Verlagskonzerne wie Springer, WAZ, DuMont und Holtzbrinck, die schon heute über 37 Prozent aller deutschen Tageszeitungen beherrschen, mit Austritt gedroht und so den BDZV auf Linie gebracht hätten, dementierte Heinen. Die angebliche Zerstrittenheit des Verlegerlagers „ist aus meiner Sicht deutlich überhöht“ dargestellt worden, sagte Heinen, räumte aber ein: In der internen Auseinandersetzung „mag schon mal ein ruppiger Ton an den Tag gelegt worden sein“. Bleibt also nur noch zu klären, warum der BDZV plötzlich erklärt, bei der Verlegerforderung nach Kartellreform ginge es gar „nicht um die wirtschaftliche Lage oder die so genannte Konjunkturkrise“ (BDZV-Geschäftsführer Volker Schulze). Denn blöderweise begründet so der Wirtschaftsminister immer die Notwendigkeit der Kartellreform.