Made in Africa

– oder wie es die Makuleke geschafft haben, mit ihrem wiedergewonnen Land im Krüger-Nationalpark eine Erfolgsgeschichte zu schreiben

aus dem Krüger-Nationalpark:THOMAS WINKLER

Tiefbraun liegt sie da, die Erde, rötlich und schwer. Wenn Chief Joao Magagula durch die drei Dörfer fährt, in denen seine 15.000 Untertanen leben, dann erhebt sich der Staub träge, hängt einen Moment in der heißen Luft und legt sich dann doch schnell wieder.

Der Staub findet selten Ruhe, denn immer wieder kommen aus dem mehr als fünf Autostunden entfernten Johannesburg Neugierige, um zu sehen,wie die Makuleke es in ihren drei kleinen Dörfern geschafft haben, eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Um zu lernen, wie in Afrika international Vorzeigbares entwickelt wird. Hier am nördlichen Rande des Krüger-Nationalparks haben in den letzten Jahren Entwicklungshilfe, auch aus Deutschland, Wirtschaftsförderung, afrikanische Eigeninitiative und nicht zuletzt gute Voraussetzungen glücklich zusammen gefunden.

Vor acht Jahren gewannen die Makuleke den Prozess, der ihnen ein 24.000 Hektar großes Gebiet im äußersten Nordosten des Krüger Nationalparks wieder zusprach, von dem der Stamm 1969 vertrieben worden war. 1996 versuchte das demokratische Südafrika noch, die Homelandpolitik der Apartheid zu korrigieren, die Millionen schwarzer Südafrikaner umgesiedelt und pro forma zu Ausländern erklärt hatte. Mittlerweile aber rudert man wieder zurück: Zu teuer kämen dem Staat all die Entschädigungen, längst stehen auf während der Apartheid enteignetem Land staatseigene Hotels oder Fabriken einflussreicher Konzerne.

Die Makuleke waren nicht die einzigen Vertriebenen. Aber sie waren 1996 die ersten, die Land in einem Nationalpark zurück erhielten, wenn auch nur unter der Auflage, es nicht wieder zu besiedeln oder aus dem Krüger-Park heraus zu lösen. Unter den Makuleke gab es Diskussionen, ob man sich auf den Deal einlassen sollte. Einige forderten lieber eine Entschädigung, andere, vor allem Ältere, wollten zurück in die alte Heimat, wollten die Gräber der Vorfahren nicht zurück lassen. Aber die Mehrheit der Jüngeren kannte das Land der Väter nur mehr aus Erzählungen und sah keinen Sinn darin, die mühsam aufgebaute Existenz erneut zu verlassen. Schließlich entschloß man sich, in den Dörfern wohnen zu bleiben und das Gebiet touristisch zu nutzen.

Eingeschlossen zwischen Zimbabwe und Mosambique war die alte Heimat der Makuleke selbst im weltbekannten, von Millionen Touristen besuchten Krüger-Park fast ohne Bedeutung. Das allerdings ist nun der großer Vorteil: die weitgehend unberührte Natur, in der es eine abwechslungsreichere Fauna und Flora zu bestaunen gibt als irgendwo sonst in dem riesigen Nationalpark. Dass diese auch zukünftig erhalten bleiben wird, dafür sorgt auch die Vereinbarung zwischen den Makuleke und der südafrikanischen Nationalpark-Verwaltung, die den neuen, alten Besitzern Landwirtschaft oder die Ausbeutung von Bodenschätzen untersagt. So war irgendwann klar, dass die Makuleke ihr Land touristisch nutzen wollten. Nur: Es fehlten Geld und Know- how, das dem ganzen Stamm gehörende Land effektiv zu verwalten.

Mit Hilfe von Entwicklungshilfeorganisationen, darunter das Transform-Programm der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), konnte eine demokratische Genossenschaft aufgebaut werden. Ein alle zwei Jahre neu gewählter Verwaltungsrat verhandelt mit Investoren, verteilt die entstehenden Jobs und entscheidet, was mit den eingehenden Geldern geschieht.

Die ersten Umsätze kamen durch den Verkauf von Abschusslizenzen an wohlhabende weiße Jäger. Wegen des zunehmenden Elefanten-Überschusses konnte der Krüger-Park das verkraften. Von dem Erlös finanzierte sich Chief Magagula, als Führer des Stammes automatisch Mitglied im Verwaltungsrat, zwar als eine der ersten Amtshandlungen seinen Dienstwagen. Aber, sagt Johannes Baumgart, in Pretoria verantwortlich für das Transform-Programm der GTZ, „noch ist die Korruption gleich null“. Keine Selbstverständlichkeit in Südafrika, wo durch das Nebeneinander von traditionellen Stammes- und neuen demokratischen Strukturen oft allzu viele die Hand aufhalten. „Es gibt Chiefs“, so Baumgart, „die charismatische Führer sind und mit denen man zusammen arbeiten sollte. Andere sind Säufer, die sich nur durchbetteln.“

Thomas Ndobe ist einer der ersten Makuleke, die direkt von dem neuen Gebiet profitieren. Er hat wie 21 andere einen Job gefunden in „The Outpost“, der ersten Lodge in der zuvor nahezu menschenleeren Makuleke-Region des Krüger-Parks. Hier ist in einem abgelegenen Tal ein hochmoderner Touristentraum aus Stahl und Beton entstanden, geplant von einem italienischen Architekten, finanziert von einem Hotelbetreiber aus Johannesburg und gebaut von den Makuleke. Empfangsbereich, Freiluftbar, Swimming Pool, Terasse und die momentan noch zwölf Doppelzimmer stehen auf Stelzen an den Hang geschmiegt. Die edelst ausgestatteten Zimmer bestehen nur aus Boden, Decke und Rückwand. Drei Wände bleiben offen, solange das Wetter gut ist, und das ist es meistens. Für vierhundert Euro pro Person und Nacht wohnt man eigentlich im Freien – und dabei so luxuriös wie nur möglich. Folglich spricht man hier nicht von “Rooms“, sondern von „Spaces“.

Das abendliche Menü, bei dem möglichst gruselige Geschichten von wilden Tieren erzählt werden, hat ein Sterne-Koch entworfen. Nachts spannt sich der Sternenhimmel übers Luxusbett, um fünf Uhr morgens lässt man sich gerne von den ersten Sonnenstrahlen wecken. Dekadente Hochleistungs-Hotellerie mitten in der Wildnis.

„The Outpost“ (www.theoutpost.co.za) soll durch Umsatzbeteiligungen und Jobs bis Mitte der Dekade den Makuleke nicht nur 1,2 Millionen Euro jährlich einbringen, sondern zudem Ausbildung und Aufstiegschancen ermöglichen. Zwei weitere Lodges, finanziert von der im südlichen Afrika operierenden Kette Wilderness Safaris, befinden sich bereits im konkreten Planungsstadium: Eine soll ebenfalls sehr gut betuchte Kunden bedienen, die andere eher das Mittelklasse-Segment. Perspektivisch sollen durch weitere Jobs in kleinen, von Makuleke geführten Betrieben entstehen, die Gemüse oder Brot an die Lodges liefern, deren Bettwäsche reinigen oder Möbel bauen.

Die Verträge mit den Investoren sehen vor, dass die Genossenschaft zehn Prozent des Umsatzes (und nicht etwas des Gewinns) erhält und zudem alle Jobs unterhalb der Managementebene mit Makuleke besetzt werden müssen. Ziel ist es, dass die Einheimischen so gut auszubilden, dass sie den Tourismus auf ihrem Land in eigener Verantwortung organisieren können – spätestens wenn die Lodges in ihren Besitz übergehen. Das kann allerdings noch bis zu 45 Jahre dauern.

In Eigenregie entsteht momentan im größten der drei Dörfer, außerhalb des Krüger-Parks, ein „Guest House“ aus mehreren kleinen Hütten. Dort sollen Touristen nach einem Besuch in „The Outpost“ den größtmöglichen Kontrast erleben können: Eine Nacht in einem ganz normalen afrikanischen Dorf, in dem unlängst die ersten Häuser elektrifiziert werden konnten. Auch die vielen professionellen Gäste sollen demnächst hier nächtigen, die Beamten und Journalisten, die Sozialarbeiter, NGO-Mitarbeiter und Wissenschaftler, die das Projekt studieren. Davon gibt es nicht wenige: Ein halbes Dutzend Doktorarbeiten und ungefähr vierzig weitere wissenschaftliche Arbeiten sind bereits oder werden gerade geschrieben.

So gut läuft das Vorzeigeprojekt, dass man beschlossen hat, den Verkauf von Jagdlizenzen einzustellen und ganz auf den Tourismus zu setzen. Auch die GTZ möchte sich demnächst vollständig zurückziehen. Schon 2003 flossen nur mehr siebentausend Euro, vor allem an Beratungshonoraren und in die Publikation eines Newsletters, der die Makuleke auf dem Laufenden hält über die Aktivitäten der Genossenschaft.

Die zuletzt zum Schlagwort verkommene Formel vom „community based tourism“ hat sich hier mit Leben erfüllt. Woanders widmet manche Gemeinde ein paar Hütten zum Guest House um, aber ohne die entsprechende Infrastruktur, Beziehungen zu Reiseveranstaltern oder touristische Attraktionen sind die Investitionen schnell in den Sand gesetzt.

Zukünftig, so Baumgart, sollen auch die Programme der GTZ immer weniger auf Tourismus setzen, da dessen Entwicklungspotential eingeschränkt ist. Mit Blick auf den Umweltschutz sollen stattdessen die jeweiligen lokalen Möglichkeiten ausgeschöpft werden: Je nach Lage können Aufforstungen, Wassermanagement, die Produktion von Medizinalpflanzen, organische Landwirtschaft oder Wildtierbewirtschaftung der Bevölkerung Perspektiven eröffnen.

Ein bereits erfolgreiches Beispiel ist das von Zulu und Xhosa seit Jahrhunderten gezüchtete Nguni-Rind, mit dessen Leder die Sitze in den edlen Karossen eines schwäbischen Autobauers bezogen werden. Schlussendlich geht es, so Baumgart, um „die Vervielfältigung der Unterhaltsstrategien. Da, wo Tourismus möglich ist, da machen wir Tourismus. Wo er nicht möglich ist, muss man andere Wege suchen.“

Das Makuleke-Projekt allerdings, vor allem dessen Selbstverwaltung, so glaubt nicht nur Baumgart, ist mittlerweile so gefestigt, dass es die anstehenden Probleme wird bewältigen können.

Denn Probleme gibt es noch immer ausreichend. Von Anbeginn hat die Krüger-Park-Leitung die Bemühungen der neuen Besitzer torpediert. So hat man die Ranger nach der Rückgabe des Landes zurückgezogen und die Makuleke-Region so Wilderern überlassen, die zum Teil aus den USA und Europa eingeschleust werden. Nach acht Jahren ist vor allem das für den Tourismus interessante Großwild geflüchtet. Momentan bilden deshalb Wilderness Safaris fünfzehn Makuleke als Wildhüter aus.

Ihr Zeltcamp liegt nur auf den ersten Blick idyllisch am Luvhuvu. Die Nähe zum Fluss hat dafür gesorgt, dass die Ranger allesamt noch vor zwei Wochen mit Malaria darnieder lagen, die Abgeschiedenheit im Park hat vier von ihnen bereits die Ausbildung aufgeben lassen. Ausbilder Jack Greef, frisch gestärkt vom mittäglichen Elefanten-Eintopf, zeigt einen mehr als mannshohen Stapel aus Drahtschlingen. Fünfhundert dieser ebenso einfachen wie effektiven Fallen von Wilderern habe man in nicht einmal zwei Monaten gefunden und sichergestellt. Die Wildhüter der Makuleke haben in kaum zwei Monaten mehr Wilderer festgesetzt als die offiziellen Krüger-Park-Ranger in zwei Jahren. Trotzdem, erzählt Greef, werden nicht nur Tiere getötet, sondern bisweilen ganze Büffelherden mit LKWs aus dem Park geschafft, das habe er erst heute Vormittag erfahren. Man sollte meinen, dabei sei eine Menge Staub aufgewirbelt worden. Noch aber legt der sich viel zu schnell wieder.

THOMAS WINKLER ist freier Autor und lebt in Oranienburg