Eine Art Publikumsbeschimpfung

betr.: „Ein bisschen Spaß muss wohl sein“, taz vom 29.1.2004

Am 27. Januar war im Kölner Piccolo-Theater die US-amerikanische Professorin Dr. Jean Grossholtz zu Gast. Ihr Hauptanliegen war es, zum weltweiten Widerstand gegen die neoliberale Politik der multinationalen Konzerne beizutragen. Der Artikel von Susanne Gannott transportiert dies nicht. Er gerät eher zu einer Art Publikumsbeschimpfung. Schon in der Überschrift ist von „teilweise sehr einfach gestrickten Thesen“ die Rede, die bei den begeisterten Zuschauern auf positive Resonanz gestoßen seien. Die motivierende Kraft der Jean Grossholtz wird zu einem Akt „gegenseitiger Selbstvergewisserung“ herabgewürdigt. Die weltweit bekannte, sich zu Gewaltfreiheit bekennende, indische Schriftstellerin Arundhati Roy wird in die Nähe von Gewalt und Terrorismus gerückt. Zwischen den Zeilen lesen wir, Jean Grossholtz und ihr Publikum seien nicht in der Lage, dies zu erkennen. Und am Schluss wird der Moderatorin unterstellt, sie habe dazu aufgerufen, am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung statt der Opfer des Nationalsozialismus derer des Neoliberalismus zu gedenken. Tatsächlich ging es ihr um ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Beschäftigung mit Geschichte und Gegenwart. Warum richtet sich der Artikel in erster Linie gegen das Publikum, die Referentin und die Moderatorin? Arundhati Roy warf auf dem Weltsozialforum den Medienkonzernen vor, sie seien tragender Teil des neoliberalen Projekts. Die taz sollte sich als ein deutlicher Gegenpol dazu verstehen.

Andreas Neumann, Köln