Stiftzahn der Zeit

In der Max-Brauer-Allee residiert ein Damenstift als Frauenwohnprojekt in einem schlossartigen Anwesen. Dessen Geld reicht knapp für die Erhaltung des renovierungsbedürftigen Kulturdenkmals

Von Tonio Postel

Kein Ort für Harry Potter. Gerne hätten Potter-Darsteller Daniel Radcliffe und Autorin Joanne K. Rowling für den neuen Band der Zauberlehrlings-Serie im verwunschenen Damenstift der Von-Nyegaard-Stiftung in Altona Werbung gemacht. Doch die stark befahrene Max-Brauer-Allee raubt der schlossartigen Anlage mit ihren Türmen, Erkern, Rundbogen-Fenstern und Skulpturen viel von ihrer Atmosphäre, und die Potter-Crew suchte sich eine bessere Location. „Die Straße war ihnen zu laut“, verrät der Hausmeister Rolf Hellmund.

Die dreiflügelige Anlage wurde 1900/01 im Auftrag Hedwig von Nyegaards, der Frau eines norwegischen Kaufmans und Kapitäns, im Stil der Neorenaissance erbaut. Die Berliner Architekten Kühn und Baumgarten hatten sich zuvor in einem reichsweiten Wettbewerb durchgesetzt. Mit ihrem Bau schafften sie es ins „Handbuch der deutschen Kulturdenkmäler“ von Georg Dehio, die Bibel der Kunstdenkmäler.

Laut Satzung sei es Aufgabe der Stiftung, „überwiegend Damen“ Wohnraum zu beschaffen, wie Evelin Schroeder-Wiese vom Vorstand betont. Die Wohnungen würden vor allem an Seniorinnen vergeben. Die älteste ist 93. „Seit 1986 wird auch an Studenten vermietet, weil viele Wohnungen leer standen und die Jungen den Alten unter die Arme greifen sollen“, sagt Hausmeister Rolf Hellmund.

Der Name des Konzepts lautet „Jung und Alt“ und soll auch die Gemeinschaft stärken. „Wir sind dabei, eine Wohnung herzurichten, in welcher Feiern und Veranstaltungen besonders für die Seniorinnen stattfinden können“, sagt Schroeder-Wiese und fügt hinzu: „Eine Weihnachts-Feier haben wir dort schon gefeiert.“ Die Vorbereitungen für einen Yoga-Kurs laufen.

Doch der Zahn der Zeit nagt mit großem Appetit an dem Gebäude mit seinen 56 Wohnungen zu durchschnittlich 48 Quadratmetern. „Laut dem Gutachten eines Architekten 2003 müssten vier bis fünf Millionen Euro investiert werden, um das Ganze grundsanieren zu können“, sagt Hellmund. Am dringlichsten sei die Sanierung von Dach und Keller, der 3600 Quadratmeter groß ist und im zweiten Weltkrieg dem Luftschutz diente.

Allein, es fehlt an Geld. „Die Stiftung finanziert sich ausschließlich über die Miet-Einnahmen“, sagt Vorstandsmitglied Schroeder-Wiese. Und die gehen sofort für die nötigsten Reparaturen weg. „Ich habe auch schon Firmen angesprochen, ob sie uns nicht unterstützen mögen und dafür Werbung am Zaun anbringen wollen. Doch in der momentanen wirtschaftlichen Lage sieht es nicht gut aus.“

Dabei spare die Stiftung schon, wo sie kann. Deshalb bleibt der Zaun vorerst marode, und die Ornamente des altehrwürdigen Baus, wie bei Haus Nummer zwei, neigen sich weiterhin bedrohlich Richtung Straße. Auch die Treppe und der Backstein-Aufgang von Haus Nummer eins drohen einfach „wegzukippen“. Ganz zu schweigen von den schwarz gewordenen Stein-Verzierungen auf den Dächern und der Fassade, die in 103 Jahren erst einen Anstrich abbekam.

Nach Auskunft der Kulturbehörde soll die Anlage in nächster Zeit auf ihre Schutzwürdigkeit untersucht werden. „Höchstwahrscheinlich wird ein Unter-Schutz-Stellungs-Verfahren eingeleitet“, sagt deren Sprecher Andreas Ernst. Damit stiegen die Chancen, Geld für die Erhaltung des Gebäudes zu bekommen. Als Förderer käme auch die private Stiftung für Denkmalpflege in Frage. Geschäftsführerin Irina von Jagow: „Das Objekt ist durchaus interessant für uns. Wenn das Denkmalschutzamt eine Sanierung vorschlägt, könnten wir uns eventuell beteiligen.“