Wird Bush Kerry die Homo-Frage stellen?

Die Entscheidung von San Franciscos Bürgermeister für die Homo-Ehe kann den US-Wahlkampf entscheiden

Nun ist die Frage endlich auch auf dem Themenzettel zum US-Präsidentschaftswahlkampf gelandet: Wollen die USA zulassen, dass auch schwule und lesbische Paare die Ehe eingehen können?

Binnen weniger Tage haben diese – durch kalifornisches Recht nicht gestützte – Gelegenheit mehrere hundert Paare in Anspruch genommen. Kurzum: Sie wissen, dass ihr Handeln vorwiegend symbolischen Wert haben wird, denn nichts ist aktuell in den USA so umstritten wie die so genannten gay politics, die Art und Weise, wie ernst die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft homosexuelle BürgerInnen mit deren Ansprüchen auf Gleichberechtigung nehmen.

Dieser Konflikt teilt die Nation ebenso wie der um die Abtreibung: Die einen pochen auf Liberalität, die anderen auf angeblich biblisch fundierte Lebensweisen; die einen auf die Entwicklung von Individualität, die anderen auf genaue Vorstellungen von dem, was in ihren Augen gut und rechtens ist. Präsident George W. Bush steht auch für die konservativen bis evangelikalen Schichten (vor allem) in den küstenfernen Regionen des Landes, die Demokraten für die Offenheit von moralischen Verhältnissen.

Kompliziert wird die Debatte um die Homo-Ehe nun deshalb, weil erstens der US-Präsidentschaftswahlkampf längst im Gange ist und der faktisch designierte Rivale von Bush, Senator John Kerry, aus Massachusetts stammt. Im Ostküstenstaat gilt seit anderthalb Jahren ein Recht, das homosexuellen Paaren die Trauung erlaubt. Das dortige Verfassungsgericht ging vor einer Woche weiter und erklärte die (vor allem semantische) Differenz zwischen Hetero- und Homo-Ehe für nichtig, weil diskriminierend. Kerry hat diese Entwicklung befördert– wenngleich er nach dem landesweit medialisierten Dauerheiratsspektakel in San Francisco jetzt gesagt hat, er befürworte eigentlich einen „Unterschied zwischen echter und ziviler Ehe“. Konservative aus dem bible belt (im Mittleren Westen) sind empört und fordern von Bush, die Homo-Freundlichkeit Kerrys im Wahlkampf zu thematisieren. Doch der Präsident zaudert. Denn allzu fundamentalistischer Eifer macht ihn für Wähler inakzeptabel, die Lesben und Schwule nicht besonders schätzen, aber Hass gegen sie (sowie andere Minderheiten) als unappetitlich (und unchristlich) strikt ablehnen. Diese Stimmen könnten am Ende fehlen.

Das bedeutet einen um die Homo-Frage aufgeladenen Wahlkampf, eine Streit um die Mehrheit, der von den Demokraten aufgegriffen werden sollte, weil Homo-Fragen eben keine sind, die nur in San Francisco und New York als solche des Lifestyles interessant sind, sondern überall. Also gerade dort, wo Lesben und Schwule überwiegend versteckt leben müssen. Die USA könnten mit dieser Debatte beweisen, was ihnen die Freiheit des Westens wirklich wert ist. Es wird spannend, so oder so. JAF