Israels Sperrzaun vor Gericht

Zu Beginn der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof hat die Palästinenser-Delegation das Wort. Draußen demonstrieren Israelis und Palästinenser

DEN HAAG ap/afp/dpa ■ Am Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag haben gestern dreitägige Anhörungen zum Bau der umstrittenen israelischen Sperranlage begonnen. Zunächst legte der Delegationsführer der Palästinenser, Nasser al-Kidwa, vor den 15 Richtern des höchsten UN-Gerichts seine Position dar. „Die Mauer verfestigt die Besatzung und die faktische Annexion großer Teile palästinensischen Landes“, sagte er. Die israelische Regierung bestreitet die Zuständigkeit des IGH und beteiligt sich nicht an den Anhörungen.

Erstmals wird Israels Politik vor einem internationalen Gerichtshof verhandelt. Auf Antrag der UN-Vollversammlung soll der IGH die Rechtmäßigkeit der Sperranlage prüfen sowie deren völkerrechtliche Konsequenzen begutachten. Das Ergebnis ist nicht rechtsverbindlich. Die Palästinenser hoffen, Israel könne zum Abbau der Sperranlage genötigt werden. Allerdings kann das Gericht die Stellungnahme auch ablehnen.

Die USA sprechen sich, ebenso wie die Europäische Union, gegen die Anrufung des IGH aus. Aus einem Brief der irischen EU-Ratspräsidentschaft, der gestern öffentlich gemacht wurde, geht hervor, dass sie die Anhörung für wenig hilfreich hält. Eine Stellungnahme des Gerichtshofs sei nicht „angemessen“. Sie werde „nicht helfen, den politischen Dialog wieder zu starten“. USA und EU kritisieren vor allem den Verlauf des Sperrzauns.

Vor dem Sitz des IGH in Den Haag unterstützten mehr als tausend Menschen mit einem Schweigemarsch die Position der israelischen Regierung. Sie versammelten sich um das Wrack eines Busses, den ein palästinensischer Selbstmordattentäter am 29. Januar in Jerusalem in die Luft gesprengt hatte. Die Sicherheitsvorkehrungen waren so scharf, dass die Beamten trotz leichten Schneefalls Regenschirme konfiszierten. Am Nachmittag sollte eine propalästinensische Kundgebung folgen.

Im Westjordanland und Gaza-Streifen protestierten mehr als 10.000 Palästinenser. An der größten Kundgebung in Abu Dis, einem Vorort von Jerusalem, nahmen neben dem palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Kurei muslimische und christliche Würdenträger sowie zwei Abgeordnete des Europaparlaments teil. In Dschenin und Tulkarem setzte Israel Tränengas ein, um Demonstranten von der Sperranlage fern zu halten.

Israel begründet den Wall mit der Notwendigkeit, sich vor palästinensischen Terroristen zu schützen. Als Beleg dafür wertete Israels Premierminister Scharon auch den Selbstmordanschlag in Jerusalem vom Sonntag. In einer Stellungnahme an den IGH heißt es, das Gericht sei für die Angelegenheit nicht zuständig. Der Streit müsse in Verhandlungen gelöst werden. Die rechtliche Behandlung unterwandere die Umsetzung der Road Map.

Nach Recherchen von Human Rights Watch weicht der Verlauf des Zauns von der international anerkannten Demarkationslinie ab und hindert tausende Palästinenser am Zugang zu ihren Arbeitsplätzen oder Schulen. Human Rights Watch stellte gestern einen Bericht vor, wonach die geplante Route des Walls gegen das Völkerrecht verstößt. Zweck des Zauns sei offenbar, illegale Siedlungen an Israel anzuschließen.