Ich kenn‘ keinen

„Er war eigentlich so ein fröhliches Kind“: Der Hamburger Filmemacher Jochen Hick über seine Schwulendoku „Allein unter Heteros“ und die Gründe, warum man diesen Film nicht nur in der schwäbischen Provinz sehen sollte

Nächste Woche kommt die Schwulen-Doku „Ich kenn‘ keinen – Allein unter Heteros“ in die Kinos. Regisseur Jochen Hick wird den Film bei dieser Gelegenheit in Hamburg vorstellen.

taz: Herr Hick, Sie haben mal gesagt, der durschschnittliche deutsche Fernsehzuschauer wisse mehr über das Liebesleben von Quallen als über den Alltag von Schwulen. Meinen Sie das bitter oder belustigt?

Jochen Hick: Beides. Es zählt ja eigentlich nur, was im Fernsehen ist. Was nicht im Fernsehen ist, ist nicht existent. So lange es keine schwulen oder lesbischen Hautprollen um 19.30 oder 20.15 Uhr gibt, gibt es ein Problem.

Und diesen Missstand wollen Sie mit Filmen wie „Allein unter Heteros“ beheben?

Ich glaube nicht, dass ich ihn beheben kann. Wir laufen ja auch nur auf 3 Sat.

Aber der Film kommt jetzt doch ins Kino!

Gut, wir kommen ins Kino, das bringt natürlich eine große Öffentlichkeit. Wir waren auf über 60 Festivals auf der ganzen Welt, das ist schon erfreulich.

Was wollen Sie mit dem Film mitteilen?

Erstmal will ich was zeigen. Ich hab‘ ja schon relativ viele Filme in den USA und in anderen Ländern gemacht, aber es gibt wenig Bilder über Schwule, die auf dem Land leben. In Deutschland denken die Leute ja, es ist alles schon so irre weit.

Überall schwule Bürgermeister, zum Beispiel.

Genau, und die ganzen Gay-Parades. Aber im Grunde, und dazu muss man nicht aufs Land fahren, ist so viel noch gar nicht angekommen. Das Unbehagen bleibt. Das ändert sich nicht dadurch, dass sich ein Talkmaster schwul outet.

„Ich kenn‘ keinen“: Es gibt in Ihrem Film ja tatsächlich Leute, die das sagen.

Das Komische ist ja, normalerweise müssten die Leute denken, wenn da so ein Filmemacher vor ihnen steht, da sag ich doch besser, ich kenn ein paar, aber ich habe mit denen nichts zu tun. Aber die Leute überlegen wirklich und sagen dann: „Ich kenn‘ keinen“.

Schwulsein ist also komplett ausgeblendet.

Manchmal kommt man da in spannende Situationen, wenn zum Beispiel ein Arzt sagt, ich habe nie einen gekannt. Dann erinnert er sich, es gab ja da so einen Onkel, aber das war eine düstere, traurige Geschichte.

Was bedeutet das für die Schwulen?

Es gibt ja einen Grund, dass man keine kennt, denn viele outen sich nicht. Es gibt da viel Angsthäsigkeit auch bei den Schwulen selbst, nicht nur auf dem Land. Da muss man nur mal nach Berlin gehen und sehen, wie viele Leute ihren Eltern noch keinen reinen Wein eingeschenkt haben.

Und was ist die Lösung?

Die Lösung ist oft, trotzdem zu heiraten, viel herumzureisen und zu denken, dass Sex nicht so wichtig ist. Aber das bedeutet natürlich oft, auf Intimität zu verzichten. Manche outen sich auch, und das ist dann gar nicht so dramatisch. Der Film zeigt ja keine Umgebung, die gegen Schwule ist, sondern eine, die es gut meint, und trotzdem kommen dann solche Voruteile.

Was für Voruteile?

Die sagen, ich würd‘ dir gerne helfen bei deiner Krankheit. Solche Sprüche haben wir en masse. Oder die Mutter, die sagt, bei Stefan hab‘ ich‘s ja nicht gedacht. Der war eigentlich so ein fröhliches Kind.

Interview: Daniel Wiese

Premiere in Hamburg mit Jochen Hick: 8. 3., 20 Uhr, Zeise