„Es geht um den Stellenwert der Kinder“

Seit gestern ist klar: Evangelische Kindertagesstätten werden nicht mitmachen beim groß angelegten Beschäftigungsprogramm der Sozialsenatorin. Die bedauert die Absage sehr, hält an dem umstrittenen Projekt aber fest

Bremen taz ■ Dabei hatte sich die Senatorin das so schön ausgedacht: Das bisschen Geld, das Bremen für eine personell verbesserte Situation in den Kindergärten zusammengekratzt hat, wird von der EU großzügig ergänzt. Dann werden damit Langzeitarbeitslose zu ‚Sozialassistenten‘ ausgebildet und entlasten die Erzieherinnen, die sich dadurch berufsbegleitend weiterbilden können. „Ohne uns“, hat jetzt aber die evangelische Kirche entschieden, die mehr als ein Drittel aller Kindertagesstätten in Bremen leitet. Kirchenvorstand und Kita-Geschäftsführung verkündeten gestern, dass sie aus den Verhandlungen mit der Senatorin die Konsequenzen zögen und an dem Beschäftigungsprogramm nicht teilnähmen. Und während andere Träger und auch die Regierungs-Parteien sagen: Dieses Programm ist besser als gar nichts, sagt die evangelische Kirche: Es ist schlechter als gar nichts.

„Wir brauchen eine zweite, qualifizierte Fachkraft für die Kinder“, erneuerte die Geschäftsführerin der Evangelischen Tageseinrichtungen, Ilse Wehrmann, hartnäckig ihre Forderung. Wenn die Stadt jetzt anfinge, unausgebildete Kräfte für die Betreuung – denn mehr könnten die Sozialassistenten nicht leisten – zuzulassen, dann werde Bremen endgültig zum Entwicklungsland in Sachen Bildung und Erziehung. „Der Stellenwert von Kindern steht zur Disposition“, so die Fachfrau alarmiert.

Zu den pädagogischen Zweifeln kommen praktische Bedenken. „Nach einem Monat im Assessment-Center wird die Ausbildung hauptsächlich in den Kindergärten stattfinden. Das können unsere Kräfte nicht auch noch leisten“, so Wehrmann. Einstimmig sei der Beschluss ausgefallen, „nachdem wir uns bei den Kita-Leitungen erkundigt haben“, so Daniel Noltenius, Leiter der Kirchenkanzlei. Auch die Eltern trügen den Beschluss.

Neben den knapp 40 evangelischen gibt es acht katholische Einrichtungen, der Rest ist städtisch, wenige privat. Sie alle werden wohl in dem Programm bleiben. Die städtischen können ohnehin nicht aussteigen, für die katholischen versicherte Propst Ansgar Lüttel, man sei nach wie vor zur Teilnahme bereit. „Auch wenn jetzt natürlich eine andere Situation entstanden ist.“

Fraglich ist nämlich, ob die evangelische Kirche nun ihren Teil der bremischen Mittel einfordert. Die Stadt Bremen stellt für die nächsten zwei Jahre 1,7 Millionen Euro in dem Programm zur Verfügung. Es wird mit rund 10 Millionen Euro von der EU ergänzt. „Man sollte die bremischen Mittel für einen Einstieg in die Zweitkraftfinanzierung nutzen“, forderte Wehrmann, „und die EU-Mittel zur Qualifizierung der Erzieherinnen“. Wehrmann nahm die Absage zum Anlaß für grundsätzliche Kritik: „Wir bräuchten für unsere Kitas zwei Millionen Euro jährlich, um in den Kernzeiten eine ausgebildete Zweitkraft einstellen zu können. In Bremen gibt es aber viel zu viele Einzelprojekte – von Pisa bis zu Sprachstandserhebungen und anderen. Das ist kein ganzheitlicher, präventiver Entwurf für unsere Kinder“.

Die Sozialsentorin bedauerte gestern die Absage der Kirche ausdrücklich, hält an dem Programm aber unverändert fest. Durch das Assessment werde genauestens geprüft, ob die Personen wirklich für den Job geeignet sind, betonte der Sprecher des Ressorts, Klaus Krancke. Das Programm biete vielen Personen eine berufliche Perspektive.

Jens Crueger, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Grünen, teilt indes die Kritik der Kirche: „Die qualifizierte Zweitkraft ist kein Luxus“. Deshalb hielten die Grünen trotz bekannter Bremer Haushaltsprobleme an der Forderung fest. Elke Heyduck

Das Bremer Bündnis für Kinder „Weitblick“ veranstaltet am Montag, um 20 Uhr, in der Kirche Unser Lieben Frauen eine Debatte zum Thema. Neben Kirchen- und Elternvertretern sitzt auch Senatorin Röpke auf dem Podium.