Haudrauf tritt ab

Die taz verabschiedet sich von einem Feindbild: Nach über 12.000 Tagen im Parlament verlässt der CDU-Abgeordnete Karl-Heinz Ehlers die Bürgerschaft. Schuld daran ist ein von SPD und GAL initiiertes Gesetz

Karl-Heinz Ehlers selbst spricht vom „von der Presse mühsam gepflegten Image des Hardliners“, doch in 34 Jahren Bürgerschaft hat der CDU-Abgeordnete wenig ausgelassen, um selbst an diesem Bild mitzubasteln. Wenn Bürgermeister Ole von Beust, gestern zur Verabschiedung im Rathaus, Ehlers als „einen Menschen der derben Kost“ beschreibt, der immer „Spaß an der Auseinandersetzung“ hatte, dann ist damit höflich umschrieben, was Gegner – aber wohl auch Ehlers selbst – wahrscheinlich drastischer ausgedrückt hätten.

König der Zwischenrufe, Rechtsausleger, Haudrauf: Ehlers hat in all den Jahren als Parlamentarier polarisiert wie kein Kollege in der Bürgerschaft sonst. Als innenpolitischer Sprecher genauso wie zuletzt als Kulturpolitiker, wo ihm die Formulierung vom „Kopulationstheater“ zugeschrieben wird, welches Schauspielhaus-Intendant Tom Stromberg betreibe. Ging es nach Ehlers, war diese sozialdemokratisch regierte Stadt eine einzige Ansammlung rechtsfreier Räume: Der SPD hat er im Lauf der Jahrzehnte ebenso vorgeworfen, Terroristen zu schützen, wie den Rechtsradikalismus zu züchten. Kein Klotz war grob genug, als dass ihn Ehlers nicht bearbeitet hätte.

Das sei „nicht immer zwingend karrierefördernd“ gewesen, erkannte er gestern in der Rückschau, und tatsächlich ist es ein passender Zufall, dass Ehlers mit seinen über 12.000 Tagen im Parlament nur der zweitdienstälteste Abgeordnete in der bundesdeutschen Landtagsgeschichte ist. Der Sprung ganz nach oben ist ihm nie gelungen, so gern er das gewollt hat. Im Wettbewerb um die Fraktionsspitze ist er regelmäßig zu kurz gekommen, zuletzt war er gleich für mehrere Senatorenämter im Gespräch – und geht doch wieder leer aus. Einmal in den 80ern war er fest als Innensenatorkandidat unter Walter Leisler Kiep gesetzt, aber da verfehlte die CDU die absolute Mehrheit und blieb da, wo Ehlers die meiste Zeit gesessen hat: In der Opposition.

32 Jahre habe er für das Ziel einer CDU-Regierung in Hamburg „geackert“, sagt Ehlers, jetzt habe er noch die zwei letzten Jahre daran „schnuppern“ können, wie es ist, oben zu sein – und den ewigen Bausenator Eugen Wagner auf der Oppositionsbank sitzen zu sehen. Davon nämlich habe er immer schon geträumt, hat Ehlers einmal gesagt. Dabei hat der Harburger auch unter SPD-Ägide seit Jahren einen Topjob bekleidet: Geschäftsführer der Sprinkenhof AG, die die städtischen Immobilien verwaltet. Ein Posten, den SPD und CDU dereinst gegeneinander ausgedealt haben, damit der damalige SPD-Finanzsenator König Chef der Wiederaufbaukreditanstalt werden konnte.

Solche Geschichten werden auf feierlichen Abschiedsempfängen nicht erzählt. Lieber erzählt Ehlers die Story, wie er Anfang der 90er Jahre als innenpolitischer Sprecher von Autonomen verprügelt wurde und ein Gemeinschaftskundelehrer (!) daraufhin zu Ehlers‘ Sohn sagte, sein Vater sei ja selbst schuld. Bei solchen Geschichten schütteln die Christdemokraten bis heute den Kopf und schwören, dass so was bald nicht mehr denkbar in dieser Stadt ist.

Und trotzdem hat Rot-Grün am Ende ihm doch noch mal in die Suppe gespuckt: Kurz vor der Abwahl 2001 verabschiedete die Bürgerschaft auf Betreiben von SPD und GAL ein Gesetz, das es ab dieser Legislaturperiode Abgeordneten untersagt, ein städtisches Führungsamt zu bekleiden. Ein Gesetz, das die Parlamentskarriere von Karl-Heinz Ehlers beendet hat.

Künftig sitzt seine Ehefrau Inge Ehlers im Parlament. Ihr Mann wird nicht Senator, erhält zum Abschied aber eine CD-Rom mit der letzten Bürgerschaftsdebatte. Und die signierte Autobiographie von Helmut Kohl.

Peter Ahrens