zwischen den Rillen
: Groove am Boden

Mal besser, mal schlechter: Auf den neuen Platten von F.S.K. und Stereolab verstrickt sich der Sound im Referenzenwust

Sie wollten es nie gemütlich haben. Nach über 20 Jahren halten F.S.K. noch immer die Strategien von Punk mit dem Charme eines Projekts aufrecht: Als Kollektiv aus verstreuten KulturproduzentInnen – im Kunstbetrieb, in der Literatur – sind sie stets under construction. Sie haben Country getreu ihren Münchner Roots mit Zithersound gekoppelt und ausprobiert, wie es klingt, wenn man Cajun mit dem G.I.-Blues der Alliierten kreuzt. Nach dem Streifzug in Sachen Gedenkpolitik gab es eine Phase, da war die Band auf Exotika programmiert, obwohl sich das Patchwork aus Cornet, Steeldrums und Steelgitarre viel zu konzeptuell für Nostalgie anhörte. Stattdessen war bei jedem Stilwechsel eine genaue Analyse des Materials mit im Spiel, selbst wenn F.S.K.-Texter Thomas Meinecke lieber von einer Fanhaltung spricht, aus der mit „immer neuen und immer neuen alte Musikarten“ experimentiert wird.

Nun also Techno. Oder House? Besser beides. Das Gelände ist vermint, seit sich Heerscharen an Fachmagazinen und ebenso viele Labelbetreiber im Namen von Clubbing um die feinen Unterschiede streiten. Ohne diese Arbeit am Kleinscheiß säßen Scooter und Jeff Mills womöglich heute im gleichen Boot. Mit anderen Worten: Noch sind die Territorien von Techno ideologisch besetzt – keine schlechte Voraussetzung für die Diskursforscher von F.S.K., zumal Meinecke in seiner Funktion als akribisch in den Archiven der Cultural Studies wühlender Schriftsteller gerne Widersprüche zum Tanzen bringt. Was lag da näher, als sich für „First Take Then Shake“ mit Anthony „Shake“ Shakur einen Detroiter Electro-Helden ins Studio zu holen, der allerhand digitale Motor-City-Madness in die vertrackten, unter der Last der Referenzen knirschenden Stücke mischt?

Genau genommen eine ganze Menge. Schließlich hat sich dieser Brückenschlag von Bands und Remix-Künstlern längst zu einer Gemischtkalkulation entwickelt, bei der jeder Top-Ten-Kandidat auf den Dancefloor schielt. In dieser Konzentration durch Streuung sind F.S.K. ein extravaganter Kunde aus einem fern abgelegenen Marktsegment mehr.

Dagegen drängt es frühere Techno-Koryphäen bei ihren Kooperationen verstärkt in Bereiche des Jazz, zu den Wurzeln: So hat Carl Craig vergangenes Jahr mit „Detroit Experiment“ eine Session mit Vertretern der Frühsiebziger-Polit-Jazz-Szene auf den Weg gebracht. Das wäre vermutlich auch im Sinne von F.S.K. gewesen, die auf einem der Tracks „blues and the abstract truth“ im Rekurs auf die afroamerikanische Musikgeschichte intonieren. Gleichwohl bleibt der Groove am Boden, es funkt nicht wirklich.

„First Take Then Shake“ funktioniert zwar als Verständigung über Formationen rund um Techno. Aber die Berührung zwischen Band und Computerwelt führt selten zu Spannungen: Irgendwer hat ständig die Handbremse beim Beat angezogen oder einen anderen Bedenkenfilter eingeschaltet. Ähnlich unentschieden wirkt das Bemühen um Anschlussfähigkeit bei der Wahl der Texte.

Die Würdigung Kraftwerks als Väter des Techno ist nicht unbedingt eine Pionierleistung; und das „legitime Kind“, das Nastassja Kinski mit Quincy Jones hat, heißt nicht Sonja, wie F.S.K. auf „Kinski Jones“ singen, sondern Kenya Julia Miambi Sarah Jones. Die 18-jährige Sonja stammt aus Kinskis Ehe mit dem ägyptischen Filmemacher Ibrahim Moussa und arbeitet als Model für Tommy Hilfiger – auch daraus hätte sich eine prima Afrophilia-Story konstruieren lassen. Am Ende bleiben F.S.K. mit ihrem afrogermanischen Rereading von Dance Music jedoch auf halber Strecke in einem Wust aus Verweisen stecken. Die Richtung stimmt, nur nicht die Ausrüstung an Bord des Motherships.

Bei Stereolab sind die Ausflüge in die Randgebiete der Erinnerung ähnlich vielzählig, sodass man gar nicht weiß, wann und wie aus Velvet-Underground-Followern ein zuverlässiger Act für Fans von Disco, Sounddesign und Krautrock wurde. Mit „Margerine Eclipse“ sind sie bereits über ein Dutzend an Veröffentlichungen hinaus, als „One of Pop’s 50 most influential bands“, das steht als Sticker auf dem Cover. Man muss gar nicht erst die anderen 49 Supergroups aufzählen, um die Nische zu finden, in der sich Stereolab eingerichtet haben: Sie liegen immer noch jenseits der Mitte.

Textlich ist Sängerin Laetitia Sadier mit den Manifesten des Situationismus auf einer Wellenlänge, für die Musik hat das Quintett noch weiter an seinem Modell aus Improvisation und Art-School-Unterhaltung geschliffen. Der 5/4-Takt geht ihnen fließend von der Hand, niemand muss stolpern.

Unbeirrbar im Beat und trotzdem reich mit Ornamenten verziert: Die allgegenwärtige Konzentration auf diese zwei Komponenten gelingt bei Stereolab in jedem Stück. Mal wird der Hörer bei der Hand genommen und auf Reisen in moog-bubbelnde Science-Fiction-Galaxien geschickt, dann wieder ist Schluss mit Retro, und bei „La Demeure“ heißt es in einer seltsamen Fusion aus Trompetenfunk und Flamenco-Schlägen: „When we were not a lonely crowd / Natural was impersonal / Was non individual“. Das ist eine melancholisch schöne Fantasie vom Kollektiv: Man muss „wir“ sagen können, das kuschelige Wohlgefühl kommt dann praktisch wie von selbst. Oder per Multipolster.

HARALD FRICKE

F.S.K. meets Anthony „Shake“ Shakir: First Take Then Shake (Disko B); Stereolab: Margerine Eclipse (Elektra)