Hickel: So nicht!

Der Wirtschaftswissenschaftler kritisiert fehlende „Wahrheit“ bei der Diskussion der Finanzlage Bremens

Bremen taz ■ „Die finanzpolitische Wahrheit ist zwar bitter, sie kann jedoch nicht überraschen“ – mit diesen Worten beginnt eine Stellungnahme des Bremer Wirtschaftswissenschaftlers Professor Rudolf Hickel zur aktuellen bremischen Debatte um den Doppelhaushalt 2004/05. „Die Dramatik dieser fiskalischen Lage wird durch den Rückblick auf die zehnjährige Sanierungsphase deutlich“, analysiert Hickel: Für die Jahre 1994 bis 2004 habe Bremen Sanierungshilfen im Gesamtumfang von 8,5 Milliarden Euro bekommen. Am Ende dieser Sanierungsdekade sei der Schuldenberg größer als am Anfang, und die jährliche Deckungslücke bei den laufenden Ausgaben sei kaum geringer geworden.

„Symbolisch“ zeige sich das Problem an dem strukturellen Millionen-Defizit in der Planung für das Sozialressort, so Hickel: Bei der Planung vor einem Jahr sei man „viel zu optimistisch“ gewesen und habe nicht mit „höherer Arbeitslosigkeit und wachsendem Bedarf an Sozialhilfe“ gerechnet. „Durch weitere Ausgabenreduktionen und -streichungen“ würde sich der Stadtstaat kaputt sparen“, sagt Hickel – derzeit seien daher „kosmetische Haushaltsoperationen“ geplant, um die Lage zu überspielen. Sein Fazit: „Stadtstaaten sind mit der besten und modernsten Wirtschaftsstrukturpolitik nicht in der Lage, ihre öffentlichen Finanzen nachhaltig zu verbessern.“

Was tun? „Der Stadtstaat ist nicht in der Lage, sich mit eigener Kraft seiner fiskalischen Fesseln zu entledigen. Nur eine strukturelle Besserstellung im föderalen Finanzsystem bringt die Lösung.“ Statt „kurzsichtiger“ Verhandlung um den Kanzlerbrief sollten Verhandlungen über eine „systematische Besserstellung Bremens im Länderfinanzausgleich“ geführt werden – denn „die Eigenständigkeit des Stadtstaats Bremen ist nur durch einen verbesserten Finanzausgleich dauerhaft sicherzustellen“. Gerade das wird allerdings von der Bundesregierung und den anderen Bundesländern, die den Ausgleich zahlen müssten, seit Jahren abgelehnt – auch in dem neuen Gesetz zum föderalen Finanzausgleich.

Auf dem SPD-Parteitag am Samstag hat Fraktionschef Jens Böhrnsen der Analyse von Hickel grundsätzlich zugestimmt, ohne aber die Konsequenzen zu benennen. Ursache der aktuellen Haushaltskrise sei, „dass sich die bremische Wirtschaftskraft nicht in unserem Haushaltssäckel wiederfindet“. Es gebe „Grenzen des Sparens“. Das Ziel, einen verfassungskonformen Haushalts zu erreichen, dürfe nicht aufgegeben werden – „die Frage ist nur, in welcher Zeit“, sagte Böhrnsen. kawe