Die neue Schule des Kompromisses

Wenn es um Schulpolitik geht, wird der Nachwuchs selten gefragt. Dabei sind dessen Forderungen keineswegs utopisch, wie eine Konferenz der LandesschülerInnenvertretung zeigte. Die Schüler suchen nach Lösungen im Schatten der Finanzmisere

VON ANNA LEHMANN

Kritisch, aber durchaus kompromissbereit urteilen Schüler und Schülerinnen über das deutsche Schulsystem und die Berliner Bildungspolitik. Rund 200 Oberschüler wollten auf ihrer LandesschülerInnen-Konferenz am Wochenende „Schule neu denken“. Ginge es nach ihnen, dann gäbe es keinen Frontalunterricht mehr und viel weniger Auslese. Die Lehrer wären Bildungsmoderatoren statt Pauker und könnten von Schülern bewertet werden.

Trotz der visionären Anflüge – auffällig war der professionelle Charakter der diesjährigen Veranstaltung von Schülern für Schüler: fachmännische Organisation, routinierte Moderation und realpolitische Diskussionen. Das war nicht immer so: „Früher waren die Leute überwiegend links-alternativ und oft in Parteien. Das hat sich geändert“, berichtet eine konferenzerfahrene Schülerin. Dem Gebäude der Friedrich-Ebert-Stiftung angepasst, strebten die Schüler nicht nach Revolution, sondern drangen auf eine Reform des Schulwesens.

Diese Systemkritik ist angelehnt an die Pisa-Studie: Das dreigliedrige Schulsystem, das die Kinder oft nach sozialer Herkunft trennt, soll überwunden werden. Ferner seien die Lerninhalte „völlig daneben“. Stattdessen müsste der Unterricht fächerübergreifend gestaltet und kreative Fähigkeiten der Schüler stärker gefördert werden. Und Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache sollten besser integriert werden.

Die für Berlin speziellen Probleme an Schulen sind oft lageabhängig: „Zwischen Ost und West gibt es ganz schön krasse Unterschiede“, fasste ein Abiturient aus Pankow seine Beobachtungen zusammen. Während in den westlichen Bezirken „Gewalt an der Schule“ ein viel diskutiertes Thema sei, forderten Schüler in den östlichen Bezirken mehr Mitbestimmung.

Dagegen waren sich die Schüler und Schülerinnen einig in ihrer Kritik an der „überalterten Lehrerschaft“ und miesen Lernbedingungen. Doch selbst da tadelten sie gemäßigt und ihre Lösungsansätze stehen nach Berliner Manier unter Haushaltsvorbehalt: „Wenn wir über die Schule der Zukunft reden, dann legt sich die Finanzierung wie ein Schatten darüber“, sagte eine Schülerin auf der Abschlussdiskussion. Und eine andere gab offen zu: „Ich bin hier, um Kompromisse zu schließen.“

Ausgepfiffen wurde sie deswegen nicht. Auch die anwesenden Politikerinnen von Grünen, PDS und SPD waren eher Partner als Gegner. Die bildungspolitischen Ansichten der Mehrheit der Schülerschaft und der Bildungsexperten trafen sich.

Kein Wunder, dass die SPD-Abgeordnete Felicitas Tesch (SPD) die Schüler lobt: „Ich bin erfreut, dass sie so engagiert und kritisch sind.“ Friede herrschte auch zwischen Tesch (SPD) und ihren Kolleginnen Siglinde Schaub (PDS) und Elfi Jantzen von den oppositionellen Grünen. „Geld ist nicht alles“, sagte Jantzen und forderte stattdessen, das vorhandene besser zu verteilen. Sie bemängelte die latente Empfängermentalität der Schüler: „Ich höre immer nur, wir brauchen mehr Geld.“ Stattdessen verwies sie auf die Hauptschulen, die sich mit Eigeninitiative hervortäten.

Doch auf der Konferenz traten Hauptschüler gar nicht in Erscheinung, obwohl die Teilnahme für alle offen war. „Bei uns arbeiten die aktiven Schüler mit, und diese sind vor allem an den Oberschulen zu finden“, sagte Marco Mayer von der LandesschülerInnenvertretung. Daran sei jedoch nicht die SchülerInnenvertretung, sondern das Schulsystem schuld.