Rechte visieren Kreuzberg an

Doch ob sie sich tatsächlich am 1. Mai in den Kiez trauen, ist noch unklar. Linke und Bezirksregierung zweifeln. Fakt ist: Neonazis wollen Demo am Ostbahnhof starten

Inzwischen sind auch sie Teil des 1.-Mai-Rituals in Berlin: Rechtsextremisten, die am Tag der Arbeit so gegen Mittag irgendwo im Stadtgebiet aufmarschieren und von einigen Gegendemonstranten ausgepfiffen werden, bevor sich die Linken ab dem späten Nachmittag dem eigentlichen Trubel in Kreuzberg widmen können. Und doch kommt es jedes Jahr zu kleineren Veränderungen. Nach jahrelangen Querelen marschieren NPD und Freie Kameradschaften dieses Jahr das erste Mal wieder gemeinsam. Und hat die Versammlungsbehörde die Rechtsextremisten bis vor zwei Jahren noch an den Rand der Stadt verbannt, wo sie einsam und unbeobachtet ihre Parolen grölen konnten, durften sie im vergangenen Jahr mitten in der City West in Charlottenburg demonstrieren. Dieses Jahr wollen sie mit ihrer Demonstration am Ostbahnhof beginnen.

Die örtliche Nähe zu den revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen in Kreuzberg sei „eine Provokation“, findet Markus Roth von einem eigens gegen den Naziaufmarsch gegründeten antifaschistischen Bündnis. Es ruft zu einer Kundgebung in unmittelbarer Nähe am Straußberger Platz auf, und zwar eine halbe Stunde bevor die Neonazis sich treffen wollen. Die Polizei wollte beide Anmeldungen gestern nicht bestätigen. Erst recht nicht, ob die Rechten tatsächlich auf Kreuzberg zumarschieren wollen, wo in aller Regel gegen 13 Uhr die erste der revolutionären Demonstrationen der Linksradikalen beginnt. Ines Heuer-Sehlbaum vom Bezirksamt Kreuzberg bezweifelt aber, dass die Rechten eine solche Route genehmigt bekommen. „Ich verlasse mich ganz auf die Weitsichtigkeit der Versammlungsbehörde“, sagte die Referentin der PDS-Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer. Und auch Sebastian Lorenz von der Antifaschistischen Linken Berlin rechnet nicht damit, dass sich die Nazis am 1. Mai nach Kreuzberg wagen.

Dennoch läuft ein Monat vor dem demonstrationsreichen Feiertag die Gegenmobilisierung auf Hochtouren. Auf ihrer Internetseite bietet die Antifa Friedrichshain unter der Rubrik „Antifa zum Selbermachen“ kostenlos Aufkleber und Spuckis zum Herunterladen an. Zudem lockt sie mit einem ganz besonderen Angebot: Wer ihnen abgerissene Naziaufkleber schickt, erhält gratis ein ganzes Paket mit Aufklebern, die sich gegen den Naziaufmarsch richten. Da müssen rechte Aktivisten schon tiefer in die Tasche greifen. Zwar ist auch ihre Auswahl an Demo-Artikeln durchaus bemerkenswert – aber 105 Euro für ein mit Plaka-Farben bemaltes Transpi ist dann doch ein ganz schöner Happen.FELIX LEE