Politischer Inzest

In Bottrop dotzen sich die Grünen gegenseitig aus. Junge Parteimitglieder haben die Führung übernommen. Die alten Ökos fühlen sich verlassen

„Monika De Byl hat Politik nach Hausfrauenart betrieben. Dafür wurde sie abgestraft“

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Monika de Byl ist bockig. Seit die Politikerin weiß, dass sie bei der kommenden Kommunalwahl nicht mehr für die Bottroper Grünen kandidieren darf, gefällt sie sich in der Rolle der beleidigten Leberwurst. „Meine Karriere ist beendet; die wollen mich nicht mehr“, klagt die 55-Jährige. „Die“, das sind de Byls jüngere Parteifreunde.

Schon vor einem Jahr begann der Streit, den die Bottroper Biopartei derzeit mit viel Gezeter austrägt. Damals stand im kleinsten grünen Kreisverband Deutschlands gerade ein neuer Vorstand zur Disposition. Schlappe 16 Angehörige zählte die Politiker-Kommune zu diesem Zeitpunkt noch. Doch plötzlich rekrutierten diverse Mitglieder ihren „Freundeskreis“, wie de Byl es nennt. Und potenzierten damit ihre eigenen Chancen, in wichtige Positionen zu klettern. Taufpaten tauchten auf, Lebensgefährten traten bei – und die Grünen wuchsen zu einer Familie, die fortan sozusagen politischen Inzest betrieb.

Was sich seither in den Parteiräumen abspielt, bezeichnet de Byl als „feindliche Übernahme“. Sie weiß: „Seit die Neuen da sind, haben die Altgedienten keine Chance mehr.“ Das zeichnete sich kürzlich wieder ab, als über die Kandidaten für die im Herbst anstehende Kommunalwahl abgestimmt wurde. Ratsfrau de Byl taucht wie die übrigen Mandatsträger nicht mehr in der Reserveliste auf. Dafür aber der gesamte Vorstand. Auch für die Bezirksvertretung darf de Byl nicht mehr kandidieren. Der Bottroper Grünen-Chef Andreas Klodt ist sich sicher, dass dies die Folge von de Byls „Politik nach Hausfrauenart“ sei. Sie habe einen parteiinternen Wahlkampf geführt. Dafür, und wegen „mangelnder Kommunikation“ sei sie von der Partei „abgestraft“ worden. „Das ist nicht die Frau, die man hier an der Parteispitze sehen will“, erklärt Klodt.

De Byl, seit 20 Jahren parteiaktiv, echauffiert sich über diese Vorwürfe und läutet zur nächsten Runde dieses possierlichen Disputs. „Klodt kann das alles gar nicht beurteilen“, schäumt de Byl, „der ist erst seit einem Jahr dabei.“ Außerdem habe sie sich immer bemüht, mit den anderen zu sprechen. Die hätten aber nicht gewollt. Und ihr Mandat niederlegen, wie es ihr innerhalb der Partei angeraten wurde, das will de Byl auch nicht. „Ich werde meine Arbeit weiter machen“, sagt die Bioladen-Besitzerin, „nur mit einem Andreas Lischka werde ich mich nicht mehr an einen Tisch setzten.“ Lischka ist der zweite Grüne im Rat. Er hatte de Byls vorzeitigen Abgang gewünscht, nachdem diese verkündet hatte, die Motivation der Ratsgruppe sei auf Null gesunken. Im Internet lassen die Grünen nun wissen, de Byl habe die Ratsgruppe bereits verlassen. Sie selbst weiß davon nichts.

Beim Landesverband will man bei der Fehde nicht mitmischen. „Wir halten uns da raus, das sollen die in Bottrop regeln“, sagt Michael Ortmanns, Sprecher der NRW-Grünen. Welche Auswirkungen der Disput letztlich auf die Zukunft der Grünen im Bottroper Rathaus haben wird, ist nicht abzusehen. Möglich ist aber, dass die Wähler zu einer anderen Partei überlaufen, und es somit Rüdiger Lehr gleichtun. Lehr hatte im Oktober vergangenen Jahres den Grünen im Streit den Rücken gekehrt. Er spricht davon, dass es „undemokratisch“ zugegangen sei und er dem „Familienclan nicht länger ausgeliefert“ sein wollte. Deshalb sei er gegangen. Heute macht Lehr wieder Politik, und zwar „endlich in einer Partei, die pluralistisch organisiert ist“ – in der SPD.