Der Wandel vom Unruhe- zum Friedensstifter

USA beschuldigen Iran, die Spannungen im Irak anzuheizen. Gleichzeitig soll Teheran dort für Washington vermitteln

BERLIN taz ■ Der Chef des US-Zentralkommandos im Irak, General John Abizaid, hat die Regierungen Irans und Syriens gewarnt, sich in die Angelegenheiten Iraks einzumischen. Es gebe Geheimdienstinformationen, wonach sich beide Staaten an Aktionen beteiligen, die „nicht hilfreich“ seien. Nähere Angaben zu den Aktivitäten machte er nicht. Zuvor hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Teheran vorgeworfen, die Unruhe im Irak geschürt zu haben. Ferner würde Iran seine Grenzen zu wenig kontrollieren und die Einreise von Terroristen nicht verhindern.

Die Regierung in Teheran wies die Vorwürfe entschieden zurück. Staatspräsident Mohammed Chatami distanzierte sich von dem gewaltsamen Vorgehen der Anhänger des Schiiten-Führers Muktada al-Sadr gegen die Besatzungsmächte. Bei einem Treffen mit dem Mitglied des provisorischen Regierungsrats Iraks, Ibrahim Dschafari, in Teheran erinnerte Chatami dran, dass Iran zu den ersten Ländern gehörte, die den provisorischen Regierungsrat anerkannt haben. „Nach unserer Auffassung wird jede Handlung, die die Krise im Irak verschärft und die Sicherheit und Stabilität des Landes gefährdet, nicht nur dem Land, sondern dem Islam und dem Schiismus schaden“, betonte er.

Demgegenüber bezeichnete der konservative Ex-Staatschef Haschemi Rafsandschani den bewaffneten Aufstand radikaler Schiiten gegen die Besatzungsmächte im Irak als „heroische Tat“. Man müsse, sagte er beim Freitagsgebet, unterscheiden zwischen den schiitischen Kämpfern der Mehdi-Armee unter ihrem geistlichen Führer Moktada al-Sadr und den „terroristischen“ Anhängern des früheren Baath-Regimes unter Saddam Hussein. „Wir haben nicht die Absicht, uns in die Angelegenheiten Iraks einzumischen“, erklärte Rafsandschani, ließ aber anklingen, wie groß der Einfluss Irans im Irak sei. Die heute einflussreichsten Schiiten hätten sich mehr als zwei Jahrzehnte als Gast im Iran aufgehalten. „Diese mächtigen Männer sitzen heute in den religiösen Zentren. Nur eine Anweisung oder Predigt von ihnen könnte eine entscheidende Wende in der Entwicklung des Landes herbeiführen.“ Nur Gott weiß, was geschehe, wenn sie den Gläubigen eine Anweisung zum allgemeinen Widerstand erteilen würden. Die USA hätten einen steinigen Weg vor sich. Während die gegen sie gerichtete Gefahr ständig zunähme, wachse die Bedeutung der Rolle Irans. „Aber wir sind bereit, den Amerikaner zu helfen, so wie wir ihnen in Afghanistan geholfen haben.“

Der wachsende Einfluss Irans im Irak scheint auch Washington bewusst zu sein. Wie aus Regierungskreisen in Teheran bekannt wurde, haben die USA über die Schweizer Botschaft, die ihre Interessen im Iran vertritt, die iranische Regierung gebeten, auf irakische Schiiten einzuwirken, um sie zu einem friedlichen Umgang mit den Besatzungsmächten zu bewegen. Sollte Iran dieser Aufforderung folgen, würde Washington sich im Konflikt über das iranische Atomprogramm versöhnlicher verhalten. Sollte Iran aber die Unruhen weiter schüren, würden sie den Druck auf die Islamische Republik erheblich steigern.

Auch der provisorische Regierungsrat im Irak hat Iran um Vermittlung gebeten. In der Botschaft des Regierungsrats, die das Ratsmitglied Ibrahim Dschafari bei seinem Teheran-Besuch Irans Regierung überbrachte, wird Iran gebeten, al-Sadr zu bewegen, seine Truppen aus Nadschaf und Kerbela zurückzuziehen. In diesem Fall würden die Besatzer sich ebenfalls aus beiden Städten zurückziehen und die Kontrolle der irakischen Polizei übergeben.

Ob sich Iran für einen friedlichen Umgang der Schiiten mit den Besatzungsmächten einsetzen wird, scheint noch nicht entschieden. Denn auch in dieser wichtigen Frage herrscht in Irans Staatsführung Uneinigkeit. Während die Moderaten auf eine Beilegung der Konflikte hinwirken wollen und mit schiitischen Oberhäuptern verhandeln, meinen die Radikalen, dass größere Unruhen im Irak die Position Irans stärken und die USA zu größeren Konzessionen zwingen würden. BAHMAN NIRUMAND