Der Standhort Hamburg

Neue Kita-Reform: Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und SPD einigen sich auf gemeinsames Gesetz voller Verbesserungen für Kinder und Eltern. Verabschiedung morgen in der Bürgerschaft, obwohl Finanzierung unklar ist. Volksentscheid hinfällig

von sven-michael veit

Er habe „das Thema endlich vom Tisch haben wollen“, gesteht Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Auf Dauer hätte „dieser kontroverse Dauerbrenner“ sonst seiner Idee von der Wachsenden Stadt geschadet, denn diese solle ja nicht zuletzt „junge Familien mit Kindern anlocken“. Eine „Stadt für Kinder“ sei, sagt auch SPD-Landeschef Olaf Scholz, „ein harter Standortfaktor“, und auch deshalb sei dies ein „großer Tag für Kinder und Eltern“.

Die neue gesetzliche Regelung für die Betreuung von Kindern in Krippen, Horten und Tagesstätten (Text unten) verkündeten die beiden Frontmänner der ganz großen Kinderkoalition aus Senat, CDU, SPD und Initiativen gestern im Hamburger Rathaus. Morgen soll sie in der Bürgerschaft beschlossen werden, der Volksentscheid am 13. Juni wird dann hinfällig. Um große Worte war man nicht verlegen. Von „Kurswechsel“ ist die Rede, „Maßstäbe“ werden gesetzt, Hamburgs „bundesweite Vorreiterrolle“ wird betont. Gar bald schon müsse sich niemand mehr in Hamburg „zwischen Kindern und Karriere entscheiden“.

Das verheißene Ende des Kita-Chaos, das Ex-Senator Rudolf Lange und Regierungschef von Beust über die Stadt brachten, wird solchermaßen zu einer Erfolgsstory der politischen Merkwürdigkeiten. Wegen der absoluten CDU-Mehrheit sei es „nun einfacher, notwendige Korrekturen vorzunehmen“, gesteht von Beust ein. Er müsse ja auf keinen liberalen Partner mehr Rücksicht nehmen, „der sein Gesicht wahren will“. Auch über seinen „persönlichen Lernprozess im Wahlkampf“ spricht der Bürgermeister. Die „vielen Klagen von Müttern und Vätern“, die ihn dort erreichten, hätten „schon Wirkung“ gehabt auf ihn, der zuvor noch Kleinstkinder der „mütterlichen Nestwärme“ anempfohlen hatte.

Von einem „herausragenden Erfolg der Volksgesetzgebung“ spricht hingegen Scholz. Die drohende Niederlage beim Volksentscheid, den die Oppositionspartei federführend initiierte, habe die Regierung zum Einlenken bewogen. Und das sei auch im Hinblick auf Politikverdrossenheit enorm wichtig. „Die Menschen sind es leid“, glaubt der SPD-Chef, „wenn Politiker sich nicht einigen.“ In der Kita-Frage sei „der Erfolg in der Sache“ wichtiger als parteipolitische Rechthaberei: „Wir bekommen ein Gesetz, das alle wollen und alle mittragen“, und das auch noch frühzeitiger als durch einen Volksentscheid: „Ende gut, alles gut“, so sein Fazit.

Wenn da nicht die leidige Frage wäre, wie das alles bezahlt werden soll. Von Mehrkosten in Höhe von 70 Millionen Euro jährlich wird gemunkelt, aber von Beust will partout „keine Zahlen nennen“. Er spreche „heute nur über das Ob“, und wenn in ein paar Wochen ausgerechnet sei, „was das kostet, dann sagen wir das“. Neue Schulden aber werde die Stadt deshalb nicht machen, „politische Prioritätensetzungen“ seien erforderlich, auch „Umschichtungen im System und in den Behörden“. Alle Senatsmitglieder, so viel ist klar, müssen demnach ihren Kita-Obolus entrichten, die Kita-Träger werden mit geringeren Zuschüssen und die Eltern möglicherweise mit höheren Beiträgen rechnen müssen.

Ein „Konterkarieren“ aber werde es nicht geben, versichert der Regierungschef: „Wir führen nicht Rechtsansprüche auf Kita-Plätze ein und machen die dann so teuer, dass sie niemand bezahlen kann.“ Das würden Kita-Initiativen und „der parlamentarische Gegner SPD“, mit denen „wir uns so weitgehend verständigt haben“, gewiss „sehr genau“ und in „gutem Geist“ beobachten. Sagt von Beust. Und Scholz nickt. Und schenkt ihm ein T-Shirt der Volksinitiative mit dem Aufdruck „Mehr Zeit für Kinder“.

Jetzt brauchen sie nur noch mehr Platz. Und Geld.