Tiefgefroren

Einst war „The Face“ stilbildend, nun wird es eingestellt. Die Marke aber behält der Verlag. Über den Status quo der Popkultur sagt das wenig

VON STEPHANIE GRIMM

Schluss mit der Jugendkultur der Siebziger! Schluss mit dem Ernst und her mit der Spielerei. Als The Face vor 24 Jahren gegründet wurde, waren das die Botschaften des britischen Lifestyle-, Musik- und Modemagazins. Es durfte gespielt werden – mit Mode, kulturellen Codes, mit politischen Subtexten. Die frühe Poplinke formierte sich.

Gemessen daran war es ein unangemessen unspektakulärer Abgang – schleichend fand The Face sein Ende. Vergangene Woche teilte der britische Großverlag Emap mit, dass die Verhandlungen mit den potenziellen Käufern gescheitert seien und die aktuelle Ausgabe wirklich die letzte ist. Vor einem Monat schon waren die ersten Nachrufe erschienen, weil der Verlag hatte verlauten lassen, dass er keine Zukunft für das Magazin sehe – die Auflage in Großbritannien war seit 1999 von 40.000 auf 25.000 abgerutscht.

In den Nachrufen wurde der scheint’s logische Gang der Dinge abgenickt, weil The Face ja schon lange die Definitionsmacht über jene Coolness verloren hatte, deretwegen das Magazin in den Achtzigerjahren gelesen wurde. Damals sei The Face „eine wirksame Waffe im Kampf der Generationen“ gewesen, bemerkte die Süddeutsche Zeitung.

Stil und Zwänge

Ein anderes vorgebrachtes Argument lautete, dass das Magazin seinem eigenen Erfolg zum Opfer gefallen war und dass die Grätsche zwischen Stil und Inhalt, wie sie The Face lange geschafft hatte, zwangsläufig zum wackligen Spagat werden musste. So schrieb die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Für den langjährigen Erfolg von The Face gab es drei Gründe: Der erste hieß Stil, der zweite Inhalt. Der dritte Grund war die Verbindung von Stil und Inhalt. Und es sind diese drei Gründe, an denen das Heft nun gescheitert ist.“

Stil und Inhalt hin oder her, bei der Einstellung dürften auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle gespielt haben.

Als die letzte Ausgabe an die Kioske ging, landete ein Schwung Kaufgebote bei Emap. Über die Bieter wurde wenig bekannt, und es war schon ein bisschen überraschend, dass der Großverlag den Titel nicht verkaufen wollte. Die Zeitschrift wird eingestellt. Die Rechte an der Marke will Emap aber behalten – für den Fall der Fälle. Das ist schade, verrät aber nicht viel über den Status quo der Pop- und Jugendkultur. Letztendlich war die Entscheidung von der Interessenlage eines Großverlags geprägt – der sicher die Orientierungslosigkeit mit zu verantworten hatte, die das Magazin in den letzten Jahren plagte. Viel Raum für eine Neupositionierung in entschlackter, den neuen ökonomischen Bedingungen angepasster Form – zurück zu den Wurzeln, zur Selbstausbeutung – gab es da nicht.

Als The Face gegründet wurde, war es frisch, radikal und punk-inspiriert. Das Layout von Grafiker Neville Brody traf den Nerv der Zeit, zusammen mit den stilbildenden Texten früher Autoren. Punkautorin Julie Burchill und Tony Parsons waren mit von der Partie. In den Neuzigern setzten dann die großartigen Reportagen des früh verstorbenen Gavin Hills vergleichbare Standards. Es wurde daraus eine Marke, bei der Hochglanz und Hässlichkeit Händchen halten und sich zwischendurch auch mal angiften durften.

In den Neunzigern machten neue Magazine wie Dazed&Confused und Sleaze Nation The Face die Nische streitig. Zudem kam der kulturelle Konsens, den das Magazin mit definiert hatte, langsam abhanden. Die interessierte Jugend guckte sowieso lieber ins Internet. Das Blatt verlor Leser. Ein gutes Image hatte The Face trotzdem noch.

Vielleicht hätte ein inspiriertes, kleines Unternehmen dem Magazin neues Leben einhauchen können. Immerhin ist es schwieriger, eine so einflussreiche Marke zu installieren, als sie zu reformieren. Und The Face war, auch als die Blüte vorbei war, immer noch unterhaltsamer als das meiste, was in den Zeitschriftenregalen steht.