Russland

Mit der Eisenbahn

Der Sonderzug, der für die Touristenreisen auf der Strecke der Transsibirischen Eisenbahn zum Einsatz kommt, besteht aus unterschiedlichen Waggons. Die roten, die Nostalgiewagen mit der Aufschrift Ruc, entsprechen der 1. Kategorie und wurden in den Jahren 1958 bis 1962 im Auftrag von Nikita Chruschtschow gebaut.

Im Abteil erwartet den Reisenden sozialistischer Nomenklatura-Komfort vom Feinsten: schwere Vorhänge vor den Fenstern, Türen und ein Schrank aus dunkel gebeiztem Holz mit Ornamenten und Verzierungen. Der Sessel ist gut gepolstert, genauso wie das Sofa, das der Schaffner abends mit zwei Handgriffen in ein Bett verwandelt. Jeweils zwei Abteile teilen sich eine Duschkabine, wobei der Wasserdruck der Brause etwas zu wünschen übrig lässt.

Die Waggons der 2. Kategorie, des so genanten Presidentski-Express, sind etwas nüchterner gehalten, bieten aber nichtsdestotrotz einen angemessenen Standard. Sie wurden in der Hauptsache unter Michail Gorbatschow hergestellt. Neben den eigentlichen Schlafwaggons gibt es noch zwei Speise- sowie ein Salonwagen im Zug.

Der Sonderzug gehört der russischen Regierung und kann für besondere Anlässe gemietet werden. Sofern er nicht gerade unterwegs ist, wird er in einem Moskauer Depot gewartet. In der Vergangenheit hat er bereits namhafte Persönlichkeiten transportiert. Der Friedensnobelpreisträger Alexander Solschenizyn reiste nach seiner Rückkehr aus dem Exil mit dem Zug quer durch Russland. Auch der Politclown und Chef der Liberaldemokratischen Partei, Wladimir Schirinowski, mietete den Zug einmal zu Wahlkampfzwecken. Natürlich griff auch der amtierende Präsident Wladimir Putin auf das komfortable, wenn auch etwas langsame Fortbewegungsmittel zurück: Er bereiste die russischen Regionen, um bei säumigen Gouverneuren Steuern einzutreiben.

Ein Höhepunkt der Zugreise – und, wie sich erst später herausstellt, einer der Tiefpunkte der Reise – ist für viele die Wodkaprobe. Trotz aller unbeschwerten Urlaubsfreude braucht der Sonderzugreisende ein wenig Disziplin. Und zwar dann, wenn es darum geht, pünktlich zur Abfahrt wieder am Zug zu sein. Der ist zwar ein Sonderzug, als solcher jedoch in den normalen Fahrplan eingetaktet. Und so könnte das passieren, was zwei Touristen vergangenen Sommer erlebten: Lediglich mit Badelatschen, Shorts und T-Shirts bekleidet, hatten sie, total in ihre Videoaufnahmen auf dem Bahnhof vertieft, das Abfahrtssignal ignoriert und starrten Minuten später entsetzt auf das leere Gleis. Mit Hilfe der deutschen Botschaft und unter Einsatz erheblicher Finanzmittel (neue Kleidung, extra Flugtickets etc.) und Nerven waren sie nach ein paar Tagen wieder an Bord. Also bitte die Ankündigung „Abenteuerurlaub“ nicht zu wörtlich nehmen.

BARBARA OERTEL

Veranstalter: Lernidee Erlebnisreisen GmbH, Eisenacher Straße 11, 10777 Berlin, Tel. (0 30) 78 60 00-0, Fax (0 30) 7 86 55 96www.lernidee.de, team@ledernidee.de Wer sich im Besonderen für die Transsibirische Eisenbahn interessiert, sei auf folgenden Band hingewiesen: Hans Engberding, Bodo Thöns: „Transsib-Handbuch, Unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn“. Trescher-Reihe Reisen, Berlin 2003, 19,95 €