Steinbrück in Köln ausgepfiffen

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück wird am 1. Mai bei der Kundgebung des DGB mit „Hau ab“ und Roten Karten empfangen. Nach knapp zehn Minuten bricht er seine Rede ab

VON FRANK ÜBERALL
UND JÜRGEN SCHÖN

Ministerpräsident Peer Steinbrück war der Auftritt sichtlich unangenehm. Bei der Kundgebung zum 1. Mai am Samstag in Köln wurde er mit mit Pfiffen, „Hau ab!“-Rufen und „Roten Karten“ begrüßt. Seine Kritiker wollten ihn nicht zu Wort kommen lassen – und schafften es schließlich. Nach zehn Minuten brach er seine Rede ab. Er hätte vorgewarnt sein müssen: Schon als Kölns DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen ihn zu Beginn der Kundgebung angekündigt hatte – „es ist seit 38 Jahren Tradition, dass der Ministerpräsident bei der zentralen NRW-Kundgebung auftritt, auch wenn wir nicht einer Meinung sind“ – hatte es lautstarke Proteste gegeben. Ver.di hatte zuvor hunderte „Roter Karten“ verteilt, um zu zeigen, „dass wir mit Steinbrücks Politik nicht einverstanden sind“, sagte Gewerkschaftssekretär Bernd Petri und meinte vor allem die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst und Steinbrücks Ablehnung der Ausbildungsplatzabgabe.

Knapp 2.000 Menschen – die Hälfte von ihnen Mitglieder ausländischer Organisationen und Parteien – waren dem Aufruf des DGB zum 1.-Mai-Marsch gefolgt. Er endete erstmals auf dem Rudolfplatz, der traditionelle Alter Markt war wegen Bauarbeiten gesperrt. Hier drängelten sie sich zwischen Bier- und Würstchenbuden und den Infoständen von Gewerkschaften und Parteien.

War die Stimmung bei den Reden von Uellenberg – im Gewerkschaftsjargon würde man sie „kämpferisch“ nennen – und des DGB-Landesvorsitzenden Walter Haas – er las vom Blatt ab und wurde nur selten von Beifall unterbrochen – noch ruhig, eskalierte sie mit dem Auftritt von Steinbrück.

Zwei Minuten lang ertrug der SPD-Politiker den Protest schweigend. Dann versuchte er es mit „Pfeifen löst kein Problem“ und wies auf „Gesichter mit unverständlichem Hass“ hin. Schließlich schaffte er noch zu spärlichem Beifall ein paar Sätze zur Agenda 2010, der Notwendigkeit, das Renten-, Sozial- und Gesundheitssystem zu reformieren, zu EU-Erweiterung und Irak-Krieg.

Doch auch das stoppte den Protest nicht. So bat er dann zwei Protestler zur „Talkshow“ auf die Bühne, die von dieser Gelegenheit, ihre Forderungen öffentlich zu machen, sichtlich überrascht waren. Die Protestler waren trotzdem zufrieden: „Wir haben gezeigt, dass sich die Bevölkerung nicht alles bieten lässt“, sagte einer der taz. Für Uellenberg war klar: „Die Störer kamen von der selbst ernannten Avantgarde der Sozialistischen Alternative und der MLDP. Sie sollen in Zukunft gucken, wo sie bleiben.“ Er habe zunächst erwogen, mit Ordnern gegen sie vorzugehen, dann aber darauf verzichtet. Die Gewerkschaften würden es aushalten, dass ein Ministerpräsident auf ihrer Veranstaltung rede.

Zwar kritisierte auch Uellenberg Steinbrücks Politik heftig, lobte zugleich aber auch, dass dieser bislang Eingriffen in die Tarif- und Betriebsautonomie widerstanden habe. Zugleich las er seinen SPD-Parteifreunden in Land und Bund die Leviten: „Überlegt doch mal, was da an Vertrauen kaputt gegangen ist. Die Menschen sind doch nicht dumm oder verbiestert.“

Mit einer eher peinlichen Versöhnungsgeste endete der politische Teil der Veranstaltung: Haas, Steinbrück und Uellenberg nahmen sich bei den Händen und knödelten eher als dass sie sangen „Brüder zur Sonne zur Freiheit“.