TODESURTEIL IM IRAN: KONSERVATIVE WOLLEN RADIKALE BESCHWICHTIGEN
: Gottesmänner zwischen den Fronten

Das Todesurteil gegen den iranischen Reformer Haschem Aghadschari ist bestätigt worden. Das wirft die Frage auf, ob nun, mit der konservativen absoluten Mehrheit im Parlament, endgültig ein Strich unter die Reformbewegung gezogen werden muss. Ist nun eine Neuauflage der brutalen Repressionen zu erwarten, wie sie bis vor vier, fünf Jahren im Iran an der Tagesordnung waren?

Es besteht kein Zweifel, dass der Versuch, den Gottesstaat von oben zu reformieren, gescheitert ist. Doch die Reformbewegung, die vor etwa einem Jahrzehnt im Iran begonnen hat, ist mit den Reformen von oben nicht identisch. Diese Bewegung hat längst sämtliche Bereiche der Gesellschaft erfasst. Die heutige Jugend Irans lässt sich durch keinen Kompromiss mehr mit den Vorstellungen der herrschenden Geistlichkeit versöhnen. Der unerbittliche Kampf, den iranische Frauen in den letzten 25 Jahren um ihre Rechte geführt haben, hat aus ihnen selbstbewusste Menschen gemacht. Nicht minder bedeutend ist die Auseinandersetzung, die nicht nur Intellektuelle, sondern auch Geistliche mit dem traditionellen Islam, mit der eigenen Geschichte und Kultur geführt haben. Eine so tief gehende Auseinandersetzung ist in keinem anderen islamischen Land zu finden.

Dieser Aufklärungsprozess, der das Ziel hat, nicht durch Nachahmung westlicher Gesellschaften, sondern aus der eigenen Geschichte und Kultur heraus zu einer freien und demokratischen Gesellschaft zu gelangen, lässt sich nicht mehr ignorieren. Das ist auch den Islamisten bewusst. Die Moderateren unter ihnen haben bereits signalisiert, dass sie nicht die Absicht haben, die in den letzten Jahren errungenen gesellschaftlichen Freiräume einzuschränken. Das gilt aber sicherlich nicht für politische Freiheiten, für Presse und das Recht auf Meinungsäußerung. Denn die Moderaten müssen auch die Fundamentalisten im eigenen Lager, die vermutlich das Urteil gegen Aghadschari initiiert haben, im Zaum halten. Derzeit regieren Irans Gottesmänner an mehreren Fronten gegen das eigene Volk. Sie versuchen, die Zügel in der Hand zu behalten. BAHMAN NIRUMAND