daumenkino
: „Radio“

Wie wäre es, würde der 1. FC Köln statt seines Geißbocks einen geistig Behinderten als Maskottchen wählen? Hätte sich so der Abstieg verhindern lassen? Und würde man dem Menschen damit einen Gefallen tun?

„Sie nennen ihn Radio“ suggeriert beides und schickt etwaige Skeptiker in die Abseitsfalle. Zugrunde liegt eine wahre Geschichte, aufgetan in der US-Zeitschrift Sports Illustrated. Im Abspann sehen wir den echten James Robert Kennedy, genannt „Radio“, der als Cheerleader und Zeugwart eines College-Footballteams lokale Berühmtheit erlangte: Gespielt wird er von Cuba Gooding jr., beständig grinsend, ausgestattet mit einem oscarreifen Paar Hasenzähne sowie einer ganzen Batterie liebenswerter Schrullen. Den Spitznamen hat er von seiner Leidenschaft, aufgesammelten Elektronikschrott in einem Einkaufswägelchen vor sich herzuschieben.

Ed Harris ist der honorige Footballtrainer Harold Jones, der den scheuen Einzelgänger unter seine Fittiche nimmt. Warum Jones das tut? Wir befinden uns in den Siebzigern, aber die Antwort ist ein echter Bushism: „Because it’s the right thing to do.“ Am nachdenkenswerten Thema Behindertenintegration wird hier veranschaulicht, wie der Compassionate Conservatism funktioniert, wenn man ihn nur mal machen lässt: Gute Menschen setzen alles daran, Radio zu helfen. Böse mäkeln, ein Footballclub sei keine Begegnungsstätte, oder tyrannisieren ihn mit üblen Streichen.

Der Kennedy im Abspann wirkt fröhlich und gelöst, das soziale Experiment scheint gelungen. Beurteilen will man das nicht, zu eindeutig setzt Sportfilm-Experte Mike Tollin auf Manipulation statt Information. Vielleicht hätte sich Gooding bei seiner Darstellung doch etwas zurücknehmen sollen. Vielleicht hätte der unbeugsame Ed Harris vermitteln können, dass einem so ein Behinderter ab und zu auch gehörig auf den Wecker gehen kann. Und ganz sicher wäre der Film ohne den klebrigen Score nicht die rührselige Behindertenschnulze, die er ist.

Der traurigste Abstieg ist allerdings der von Debra Winger. Alle Schaltjahre macht diese fabelhafte Schauspielerin einen Film. Und hat nun in der vernachlässigten Rolle der vernachlässigten Ehefrau des Trainers ihr Comeback. PHILIPP BÜHLER

„Sie nennen ihn Radio“. Regie: Michael Tollin. Mit Cuba Gooding jr., Ed Harris u. a., USA 2003, 109 Min.