US-Soldatin: Folter im Irak mit System

Beschuldigte erklärt, im Auftrag des Militärgeheimdienstes gefoltert zu haben. US-Senator: Untersuchung der Folterungen im Irak könnte auch Ermordung und Vergewaltigung irakischer Gefangener ans Licht bringen. Erster Gerichtstermin anberaumt

WASHINGTON/BAGDAD afp/dpa Eine wegen Misshandlungen irakischer Gefangener beschuldigte US-Soldatin hat den Militärgeheimdienst schwer belastet. Sie habe im irakischen Gefängnis Abu Ghraib auf direkte Anweisung des Militärgeheimdienstes gehandelt, schrieb die Militärpolizistin Sabrina Harman der Zeitung Washington Post in E-Mails aus Bagdad. Die Gefangenen seien schon gefesselt und mit Kapuzen über den Kopf zur Militärpolizei gebracht worden, allein oder zu mehreren. „Die Aufgabe der Militärpolizei war es dann, sie wach zu halten, ihnen die Hölle zu bereiten, um sie zum Sprechen zu bringen“, schildert Harman die Vorgänge.

Der Skandal um die Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten droht noch schockierendere Ausmaße anzunehmen: Die Untersuchungen könnten auch Fälle von Mord und Vergewaltigung ans Licht bringen, sagte der republikanische Senator Lindsey Graham nach der Anhörung von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vor dem Streitkräfteausschuss des Senats in Washington. „Wir sprechen nicht nur davon, dass Menschen erniedrigt wurden“, sagte Graham. „Wir sprechen hier über Vergewaltigung und Mord und schwere Anschuldigungen.“

Irakische Häftlinge sind möglicherweise sogar systematisch misshandelt worden. Die Zeitung The Guardian berichtete unter Berufung auf einen ehemaligen Elitesoldaten, einige britische und amerikanische Truppen lernten in ihrer Ausbildung die entsprechenden Techniken, um im Falle einer eigenen Gefangennahme gegen etwaige Misshandlungen resistent zu sein. Das System sei unter dem Namen R2I (Resistance to Interrogation – Widerstand im Verhör) bekannt. Die speziellen Techniken seien offenbar planlos und ohne Wissen um die Konsequenzen bei irakischen Gefangenen angewendet worden. Zu den Praktiken gehören demnach neben dem Zwang, lange Zeit nackt zu bleiben, auch Schlaf- und Wärmeentzug sowie das Überstülpen von Kapuzen.

Das US-Militär im Irak hat unterdessen den Termin für den ersten Militärgerichtsprozess im Zusammenhang mit den Misshandlungen von Gefangenen bekannt gegeben. Das Verfahren gegen den 24-jährigen Militärpolizisten Jeremy Sivits aus Pennsylvania werde am 19. Mai in Bagdad beginnen, sagte US-Militärsprecher General Mark Kimmitt gestern in Bagdad. Die Anklageschrift werfe dem Militärpolizisten Misshandlung von Gefangenen und Verschwörung zur Misshandlung von Untergebenen und Gefangenen vor. WG

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