Hobby-Hacker mit schlechten Freunden

Ein 18-jähriger deutscher Schüler ist der Urheber des Computerwurms Sasser, der Millionenschäden angerichtet hat

Das Reich des Bösen, so war es bislang Sitte, wurde, je nach politischem Standpunkt, weit im Osten oder auf der anderen Seite des großen Teichs verortet. Auch als der Wurm Sasser Millionen Computer weltweit befiel, gingen die ermittelnden Behörden zuerst davon aus, dass der verantwortliche Programmierer in Russland oder den USA sitzt. Schließlich aber stellte sich heraus, dass deutsche Schüler nicht so schlecht sind wie ihr Pisa-geschädigter Ruf: Der Wurm, der zuletzt einen nicht unerheblichen Teil des Erdballs zum Stillstand brachte, Flugzeuge nicht abheben ließ, ein Drittel der taiwanesischen Post und die Europäische Kommission lahm legte, stammt aus dem ersten Stock eines Backsteinhauses im 800-Seelen-Kaff Waffensen im niedersächsischen Kreis Rotenburg/Wümme bei Bremen. Programmiert hat ihn ein 18-Jähriger.

Sven J. ist Berufsfachschüler und nach Eigenaussage „begeisterter Hobby-Programmierer“. Seinen nun vom LKA beschlagnahmten Computer schraubte er selbst zusammen. Auf ihm fand sich der Quellcode von Sasser. Bislang wollte er sein Abitur nachholen und dann Informatik studieren. Vermutlich aber wird er einen wesentlich besser bezahlten Job bitter nötig haben: Nun drohen ihm nicht nur bis zu fünf Jahre Gefängnis, sondern auch Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe von Sasser-Geschädigten.

Zu seiner Verteidigung führt Sven J. an, dass er mit Sasser mitnichten das Geschäft seiner Eltern ankurbeln wollte, die einen Computer-Service-Betrieb namens „PC Help“ führen. Vielmehr habe er ein Anti-Viren-Programm schreiben wollen, das sich dann unglücklicherweise verselbstständigte. Dagegen spricht, dass er wohl vier verschiedene, immer weiter verbesserte Versionen des Wurms fertigte, bevor er gefasst wurde.

Der Schüler ist nach einem ersten Verhör mangels Fluchtgefahr mittlerweile wieder auf freiem Fuß und zur Sensation geworden. Endlich hat Deutschland wieder Weltniveau. In Waffensen stehen sich die Kamerateams auf den Füßen, um Nachbarn zu befragen. Die beschreiben den Beschuldigten als „zurückgezogen“, aber „freundlich“. Sein Informatiklehrer fand ihn „nett“ und „introvertiert“. Sven J. fügt sich mithin ziemlich passgenau ins psychologische Profil, das Experten von Viren-Bastlern zeichnen. Die seien so gut wie immer noch sehr jung, meist Einzelgänger und ihr Antrieb vor allem die eigene Eitelkeit. Der Sasser-Programmierer hatte allerdings immerhin noch Freunde, die ihn so gut kannten, dass sie ihn bei Microsoft Deutschland verpfeifen konnten: Erstmals wurde ein Computer-Schädlings-Entwerfer nach gezielten Hinweisen aus seinem Umfeld enttarnt. Die Denunzianten hoffen nun auf eine Verurteilung – und die vom Software-Konzern ausgesetzte Belohnung von 250.000 Dollar.

Am deutschen Schulsystem aber bleiben auch nach dem Siegeszug von Sasser Zweifel: Sven J. stand in Informatik nur auf einer Zwei. THOMAS WINKLER