post aus peking (1)
: Einzug in den Jiu-Long-Garden: Was man in einem chinesischen Baumarkt alles für 80 Euro kaufen kann

Umzug in Peking. Der Tag beginnt mit Frühstück bei einer befreundeten Journalistin, die schon zwei Jahre in China lebt. Seit einiger Zeit hat sie es sich im schönen Stadteil Sanlitun hübsch gemacht, dem Botschaftsviertel Pekings, das die belgische Autorin und Diplomatentochter Amelie Nothomb in ihrem Kindheitsroman „Liebessabotage“ als so trostlos abgeschottet beschreibt, wie es wirklich noch heute ist. Hier herrscht die größte Ausländerdichte, hier kann man um die Ecke frischen deutschen Spargel oder echte Cheeseburger bestellen.

Die Journalistin lädt zum europäischen Frühstück mit Toast, Butter und Käse, eine Annehmlichkeit, die man sich nicht entgehen lassen kann, will man nicht immer auf den landesüblichen Haferschleim oder das opulente Omelett zum Frühstück zurückgeworfen sein. Schon beim Betreten ihrer Wohnung wird deutlich, warum es die Journalistin zuletzt in Deutschland so langweilig fand: Im Flur hängen Bilder postmaostischer chinesischer Maler, die man inzwischen in den Katalogen findet; das lichtdurchflutete Wohnzimmer ist mit antiken chinesischen Schränken, Bauhaus und weißen Sofas ausgestattet. Die Journalistin hat sich in Peking einen Lebensstil zugelegt, den sie sich in München nicht leisten konnte.

Nach dem Frühstück gilt es, das Gepäck aus dem Hotel zu holen und mit dem Taxi in das Viertel einer befreundeten chinesischen Kuratorin zu fahren. Dort soll eine billige Wohnung frei geworden sein. Das alltägliche Abenteuer: Wie immer weiß der Taxifahrer nicht, wohin, die umsichtig notierten chinesischen Schriftzeichen scheint er nicht lesen zu können, es bleibt nur der Griff zum Handy, ein Anruf bei der Kuratorin, die dem Fahrer alles erklärt.

Nach einer halben Stunde Fahrt, vorbei an unzähligen, auch nach mehreren Tagen Peking nicht zu unterscheidenden Plattenbauten, kommen wir an. Die Kuratorin winkt am Eingang des Jiu-Long-Garden, einer Ansammlung nagelneuer Hochhäuser mit Wohnungen auf zwanzig Stock. „Das ist alles?“, fragt sie enttäuscht, als sie meinen Koffer sieht – wäre sie so lang in Deutschland, sie hätte mit Sicherheit ihren gesamten Hausstand im Gepäck und würde immer irgendwen finden, der ihr das Ganze durch die Gegend wuchtet. Entschlossen geht sie voran ins Hochhaus 1 a. Im Erdgeschoss CD- und DVD-Läden mit Raubkopien und eine Halle mit Tischtennisplatte, an der allerdings nie jemand spielt, wie die resolute Kuratorin gleich einräumt. Im Aufzug alte chinesische Männer im Schlafanzug, die sich zum Gemeinschaftsrauchen im Hausflur treffen – und zwei Russen in langen Unterhosen.

Die freie Wohnung befindet sich im 16. Stock: ein Apartment mit berauschendem Blick, zwei Zimmern, Wintergarten, einer Schrankwand aus Mahagoniimitat, knallroten Vorhängen, einer klebrigen Küche und einem muffigen Bad.

Die Wohnung ist gebongt. Man kann den verwöhnten Diplomatenviertelbewohnern zeigen, wie man richtig chinesisch wohnt. Es folgt eine lautstarke Verhandlung zwischen der resoluten Kuratorin, den zahlreich erschienenen Angestellten der Wohnungsverwaltung und dem fortwährend vor sich hin lächelnden Hauptmieter, der, wie die resolute Kuratorin übersetzt, die Wohnung zur Entschädigung billig bekommen hat, weil er Arbeiter in einer Papierfabrik war, die dem Wohnviertel weichen musste. Jetzt freut er sich, dass er so teuer untervermieten kann. Binnen einer halben Stunde ist der Vertrag unterschreiben, die Kaution ausgehandelt, das Telefon umgemeldet, die Standleitung ins Internet gelegt und der Schlüssel übergeben. Die Tür fällt ins Schloss, Ruhe kehrt ein.

Nun heißt es einkaufen. Im Baumarkt kann man für umgerechnet 80 Euro erwerben: einen roten Teppich, zwei rote Tischlampen, drei rote Sofakissen, eine rote Sofadecke, Bettdecken und rote Bettbezüge, einen roten Klodeckel und einen roten Duschvorhang – alles passend zu den vorhandenen Gardinen. Auf dem Rückweg findet sich mitten im heimischen Wohnviertel, wo es keine englischsprachige Zeitung zu kaufen gibt, ein edles Café mit antiken chinesischen Schränken und weißen Sofas. Von hier aus fällt es überhaupt nicht schwer, ein angeblich taiwanesisches, sehr raffiniertes Gericht zu bestellen. Zumal es sich, gestärkt mit klarer Maissuppe und Korianderschweinefleisch, warmem Chili-Gurkengemüse und eingelegtem Rettich, viel besser Wohnungen einrichten lässt. SUSANNE MESSMER