Provinziell und ohne Mut

Mit der Absage an Peter Zumthor und seinen „Topographie des Terrors“-Entwurf hat sich die Geschichtspolitik in Deutschland schwer diskreditiert

Am Ende haben es noch mal alle betont: Man will die „Trias“ mit der „Topographie des Terrors“ als letzten Ton des erinnerungspolitischen Dreiklangs, der aus dem Jüdischen Museum des Daniel Libeskind, dem Holocaust-Mahnmal des Peter Eisenman und eben der geplanten NS-Gedenkstätte des Peter Zumthor besteht. Nun droht der letzte Ton aus dem Dreiklang eine Dissonanz zu machen: Zumthor ist draußen, sein Betonstäbebauwerk wird nicht verwirklicht. Der Tag der Entscheidung gegen den Schweizer Architekten war ein schwarzer Tag für die Architektur und die Geschichtspolitik in Deutschland, dem Land der „Täter“.

Neben dem Raum für das jüdische Leben, dem Museum, und der Gedenkstätte für die Opfer, dem Mahnmal, soll auch der „Ort der Täter“ ein Gesicht bekommen. Dort, wo die NS-Terrorinstitutionen von Gestapo über SS bis Reichssicherheitshauptamt ihren Sitz hatten. Dieser Ort der Schreibtischtäter war von Anfang an vielleicht das schwierigste Projekt der Trias. Hier ging es eben nicht um das jüdische Leben, das man wieder entdecken will, oder um die zu betrauernden Toten. Sondern um die Väter und Großväter, die Mörder in unseren Familien, die sich an der Wilhelmstraße nie die Hände schmutzig gemacht, aber den Massenmord geplant haben.

Zumthor wollte diesen Horror mit seinem verstörenden und innovativen Bauwerk einfangen. Er vertraute auf die Wirkung des Ortes an sich, der nach dem Krieg fast in Vergessenheit geriet und zu einer Art Rennstrecke für Gokarts verkam. Es war eine Bürgerinitiative, die den Ort der Täter wieder entdeckte, ein Projekt der Achtzigerjahre und der Zivilgesellschaft. Vielleicht bestand der Fehler darin, dass sich die provinzielle Berliner Landespolitik mit ihren Stümpern in der Bauverwaltung der Aufgabe annahm. Denn hier kollidierten sie plötzlich: der große Wurf Zumthors, der tatsächlich, wie der geschäftsführende Direktor der „Topographie“, Andreas Nachama, beim Abschied vom Architekten zu Recht sagte, „eine Ikone der Architektur des späten 20. Jahrhunderts“ schaffen wollte. Und der Kleingeist der entscheidenden Landespolitiker. Zumthor wollte den Ort wirken lassen, die heutige Brache mit den Resten des Kellertraktes zum Klingen bringen. Deshalb sein schlichtes Gebäude, in dem es nicht wärmer werden sollte als 14 Grad, um diesen Ort im wahren Sinne des Wortes zu einem ungemütlichen Platz zu machen.

Vorbei. Es hat der Mut gefehlt, auf Bundes- wie auf Landesebene. Provinziell klammerte man sich an Machbarkeitsstudien, Kostenplänen und Bauparagrafen. Auch wenn Zumthor mit seiner Sturheit seinen Teil zum Scheitern beitrug, so war ihm doch bewusster als den meisten Beteiligten, worum es ging: dem einzig authentischen Ort des Terrors im Dreiklang mit Museum und Mahnmal mit großer Architektur eine Würde (zurück) zu geben. Das dürfte nicht mehr gelingen, auch wenn der Kostenrahmen nach einer Neuausschreibung mit einem neuen Bau eingehalten werden sollte. Zumthor, der Ort und das Niveau der Geschichtspolitik in Deutschland aber haben Schaden genommen. Unwahrscheinlich, dass der zu reparieren ist. PHILIPP GESSLER

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