Kunstbesitz macht kreativ

Stars, Stars, Stars, pfeifen die Vögel von den Dächern im Kunstmuseum Basel. Die Ausstellung „Louise Lawler and Others“ fragt nach dem Wechselspiel zwischen Kunstwerken und dem Leben ihrer Besitzer. Der Kunstbetrieb wird dabei ständig von innen nach außen und wieder zurück durchquert

VON MATTHIAS BUSCHLE

An der Glastür des Basler Museums für Gegenwartskunst sind mit weißen Klebebuchstaben die Namen der Stars der Kunstszene angebracht, die in der Sammlung und der Dauerpräsentation vertreten sind. Die Liste nennt die üblichen Verdächtigen, und sie ist in diesem Sinne eine inzwischen ganz gewöhnliche, ordinäre Liste. Wurde sie deshalb so bescheiden, fast schon etwas versteckt angebracht?

Im Haus kehrt diese Hitliste der internationalen Kunstszene in identischer Typografie und Aufmachung wieder, diesmal allerdings als Teil der Ausstellung „Louise Lawler and Others“. Immer wieder zwitschert es dort. Warum? Ganz einfach: Die Künstlerin hat die Namenliste in Vogelgesang übersetzt. Nun pfeifen es die Vögel von den Dächern: Stars, Stars, Stars.

Die Installation ist in der Basler Ausstellung die Ausnahme, der Schwerpunkt der ausgestellten Arbeiten liegt bei den Fotografien der in New York lebenden Künstlerin. In ihnen untersucht Lawler stets die Kunstwerke anderer und die Bedingungen und Codes der Kunstszene und des Kunstmarktes. Kurz: Lawler zeigt, was mit der Kunst passiert, wenn sie auf den Markt kommt. Sie geht in Galerien, auf Auktionen und anschließend in die Wohnzimmer, Salons und Museen, wo sie die Kunstwerke in ihrem neuen Umfeld dokumentiert.

Im Jahr 1982 organisierte sie in der New Yorker Galerie Metro Pictures ihre Aktion „An Arrangement of Pictures“. Zunächst übernahm sie die Aufgabe der Kuratorin und wählte Arbeiten von Künstlern der Galerie aus, darunter Cindy Sherman und Richard Longo. So entstand die Ausstellung „Arrangement by Louise Lawler“. Teil der Aktion war aber auch der Verkauf. Nun agierte Lawler als Kunsthändlerin und nahm die üblichen 10 Prozent Vermittlungsgebühr. Anschließend besuchte sie Käufer und Sammlerinnen als Dokumentaristin, um die Werke in ihrem neuen Heim zu fotografieren. Die so entstandenen Fotografien wiederum stellte sie in der Galerie erneut als verkäufliche Kunstwerke aus. Die Bilder sind beispielsweise betitelt mit „Arranged by Barbara and Eugene Schwartz“ oder „Living Room Corner, Arranged by Mrs. and Mr. Burton Tremaine, New York City“.

Für Lawler sind also auch die Besitzer der Kunst kreativ, sie zeigt den Akt der Aneignung von Kunst als einen Akt der Kreativität. Dass sie als Künstlerin diesen Akt dokumentiert und wiederum in ein Kunstwerk umsetzt, das ausgestellt, gekauft und angeeignet werden kann, toppt die Gedankenführung und treibt sie auf die Spitze.

Dennoch sind die fotografischen Arbeiten von Louise Lawler keine unsinnliche Denkkunst. Ihre Fotografien zeichnen sich durch hohe formale Prägnanz aus, und die Werke der Kolleginnen und der Kollegen treten nur in Ausschnitten in der Neukreationen Lawlers in Erscheinung. Oft beschneidet sie sie, legt den Fokus auf die Details und lässt die Licht- und Schattenwürfe als formale Elemente in der Bildkomposition dominieren. Manche ihrer Fotografien erinnern in ihrer Strenge und Einfachheit an die Minimal Art oder die grafische Gradlinigkeit der Konstruktiven Kunst.

Für die Basler Ausstellung entwickelte Louise Lawler eine neue Werkgruppe: Das Kunstmuseum Basel mit seinen beiden Häusern, der öffentlichen Kunstsammlung und dem Museum für Gegenwartskunst, wurde Motiv für ihre eigenwilligen Bildreflexionen. Ein Beispiel: „Rainy Day in Basel“. Im Innenhof der Kunstsammlung befindet sich eine Installation des Lichtkünstlers Dan Flavin. Doch Lawler interessiert sich nicht für die architektonischen Reize von Flavins Arbeit. Sie interessiert sich für den Widerschein des grünen Neonlichts auf dem rauen Wandverputz mit seinen Rissen, differenzierten Oberflächen und Spinnweben.

Lawlers Arbeiten bewegen sich im System der Kunstszene, der Kunstwelt, aus der sie immer wieder wohl reflektierte Ausbrüche organisiert, um dann bewusst wieder ins System zurückzukehren. Und so auch in Basel: Die Hängung ihrer Arbeiten ist locker und leicht und doch formal wie grafisch streng, fast wie in ihren Bildern. Doch gerade die formale wie gedankliche Schärfe Louise Lawlers ermöglicht es, auch mal ein paar genüssliche Runden auf dem Karussell der Kunstwelt zu drehen.

Bis 29. August, Katalog (Hatje Cantz) 39,80 €