DIE ACHSE DER WELT – VON DANIEL BAX
: Polyglotte Partygesellschaft

Der Club ist schwer zu finden, denn die schlichte weiße Eingangstür wird nur von einem kleinen blauen Licht illuminiert: Das „NuBlu“ in der Lower Eastside von New York. Eröffnet hat ihn der Saxofonist Ilhan Ersahin, Spross einer schwedischen Mutter und eines türkischen Vaters.

Auf dem Album „Nublu Sessions“ seiner Band „Wax Poetic“ kann man nun hören, wer in seinem Club so ein und aus geht: Zu den Gästen der ersten Stunde zählt die Jazz-Sängerin Norah Jones, die zu „Wax Poetic“ stieß, kurz nachdem sie aus Texas nach New York zog. Trotz ihrer Solokarriere, die sie inzwischen zur mehrfachen Grammy-Gewinnerin aufsteigen ließ, fand sie noch die Zeit, bei den „Nu Blu Sessions“ an zwei Stücken mitzuwirken, die viel mondäner klingen als ihr eigener Folk-Jazz. Ansonsten zu hören: Der jamaikanische Dancehall-MC U-Roy, der Spoken-Word-Poet Saul Williams und die türkische Pop-Chanteuse Nil. Entsprechend klingt das Album wie das Stimmengewirr einer polyglotten Partygesellschaft, driftet in housige Höhen oder in Drum-’n’-Bass-Holpern, in orientalische Gefilde oder in brasilianische Strandbar-Stimmungen.

Wax Poetic: „Nublu Sessions“ (PIAS)

Molotowcocktail mit Rum

Markscheider Kunst sind sicher die seltsamste Band Russlands. Sie stammen aus der Punkszene St. Petersburgs. Ihren Namen verdankt die Band der Tatsache, dass einige der Musiker an der Bergbau-Akademie studierten: „Markscheider Kunst“ ist die altdeutsche Bezeichnung ihres Fachs.

Als die Ska-Band einen Sänger suchte, traf sie auf den Kongolesen Seraphim Selenge Makangila, der ihnen den Rumba-Stil seiner Heimat näher brachte. So weit, so ungewöhnlich. Klang die Band früher bisweilen wie eine Runde betrunkener Wolgamatrosen, die sich an Latin-Rhythmen versucht, so haben Markscheider Kunst inzwischen enorm an Stilsicherheit gewonnen: „Na Sywazi“ erinnert mal an den Soundtrack für einen imaginären Jim-Jarmush-Western, mal klingt die Band wie eine gediegene Unterhaltungskapelle auf Abwegen: die Mambo-Kings auf Russisch.

Da wundert es nicht, dass sie inzwischen auch im russischen Radio Gehör finden: Ihre jüngsten Singles „Kokeiro“ und „Kvasa Kvasa“ avancierten zu Hits. Dazu produzierten Markscheider Kunst lustige Zeichentrick-Clips, die auf der CD enthalten sind. Damit die russische Revolution auch im TV übertragen wird.

Markscheider Kunst: „Na Sywazi“ (Virgin)

Orientalischer Gemischtwarenladen

„Eastenders“ ist der Name einer britischen TV-Soap, die dort schon seit Dekaden im Fernsehen läuft, die englische Entsprechung zur „Lindenstraße“. Es ist aber auch das Pseudonym, das sich der deutsche DJ Stefan Müller gewählt hat. Er stammt aus dem Osten von Frankfurt.

Mit seinen „Indian Vibes“-Partys zählte er zu den ersten, die asiatisch angehauchte Tracks in deutsche Clubs brachten, und zeichnete für die beiden „Orientation“-Compilations verantwortlich. Gemeinsam mit seinem musikalischen Partner Cem Buldak (alias Afrit) hat er nun sein erstes Album unter eigenem Namen fertig gestellt. Auf „Along the Path“ schlägt das Produzenten-Duo einen Bogen vom Balkan bis nach Asien, und von Ragga-Riddims bis zu hochgepitchten Bauchtanz-Beats. Zur elegischen Taxifahrt-durch-Istanbul-Hymne „Taxici“ nimmt der Rapper Sultan Tunc auf dem Beifahrersitz Platz. Später kommt Shady Sheha hinzu, der ägyptische Teilnehmer der ersten „Superstar“-Staffel, oder zu den Balkan-Breakbeats von „Vino, Vino“ eine ganze Runde von Roma-Musikern mit Akkordeon und Klarinette: Ein wunderbarer Gemischtwarenladen der orientalischen Art.

Eastenders: „Along the Path“ (Poets Club/PP Sales)