Korrupte Klatschreporter

Helmut Dietl hat mit seiner vertrackten Beziehung zum Fernsehen einige der bösesten, schönstenMediensatiren geschaffen. Zu seinem 60. wiederholt der BR „Kir Royal“ (montags, 21.45 Uhr)

VON BIRGIT GLOMBITZA

Vieles, was das Fernsehen anfasst, sieht schnell ein bisschen schäbig aus. Vor allem echte Menschen. Zum Beispiel die, die es auf den Sorgenstrich der Nachmittagstalkshows verschlagen hat und die dort quasseln, als gäbe es kein Morgen mehr. Aber auch erfahrene Rampensäue in den Massagestühlen von Kerner und Co reden häufig so, als wüssten sie nicht, dass die Talkshow der schlechteste Ort ist, um ihr Anliegen, ihr Geständnis oder auch ihr Wissen mit Würde unters Volk zu bringen. So sabbeln sie mit den Moderatoren gegen Quote, Fernbedienung und das eigene Verschwinden auf der Mattscheibe an.

Gesteigerte Inkontinenz

Nur einmal sah das Fernsehen noch schmuddeliger aus als seine inkontinenteste Nachmittagstalkshow. Da hatte es Helmut Dietl in die Hände bekommen und es in seinem Kino-Film „Late Show“ (1999) wenn auch nicht demontiert, aber immerhin so durchgeschüttelt, dass es danach eine Spur ramponierter aussah als vorher. Für Dietl lag der Fall so: Halbkriminelle Zyniker machen mit einem Moderatorenpersonal aus eitlen Zwangsneurotikern und degenerierten Quarktaschen ein sadistisches, sexistisches und rassistisches TV-Programm für Hirn- und Würdelose. Und am Ende werden alle von gänzlich unsittlichen Geschäftemachern abgezockt.

Das System lachte

Helmut Dietl, der am 22. Juni sechzig wird, gab dem Fernsehen mit „Late Show“, was es verdient – allerdings auch, was es prima verkraften kann. Denn mit Harald Schmidt als Programmdirektor in der Quotenkrise bis zu Thomas Gottschalk als aufstrebendem Radiomoderator bespiegelte sich das TV in Dietls Sittengemälde zwar nicht ohne Gift und Galle selbst, blieb aber innerhalb der Schmerzgrenzen des eigenen Klischees. Das Fernsehen konnte über sich selbst lachen. Das „System“ der Unterhaltungs- und Werbeindustrie geriet nicht aus den Fugen. Der innere Zusammenhang zwischen Rezession, den aufkommenden Nachmittags- und Late-Talks der 90er-Jahre, das sich scheinbar als einziges „Beschäftigungsprogramm“ der vier Millionen Arbeitslosen annahm, blieb unangetastet. So kann das Fernsehen sich einen seiner begabtesten Querschläger ohne Schaden regelmäßig zur Brust nehmen (Grimme-Preise, Bambi, Telestar und zuletzt 2003, Bayrischer Fernseh-Ehrenpreis für Dietls „Gesamtwerk“) und ihm zum Geburtstag eine Filmreihe widmen.

Schließlich verdankt es dem Jubilar Serien wie „Münchner Gschichten“ (1973), „Der ganz normale Wahnsinn“ (1980), „Monaco Franze – der ewige Stenz“ (1983) und natürlich „Kir Royal“ (1986), in welchen Dietl mit großer Eleganz die Hysterien des Melodramas mit dem Biss der Komödie zu einer eigenen, kleinen TV-Kunstform verfeinerte. Geschichten voller Melancholie und Zynik, Zärtlichkeit und Spott, den Abgrund dabei unbeirrt vor Augen. Sie handeln vom trügerischen Vorstadtglück, einer hühnerbrüstigen Schickeria, korrupten Klatschreportern, Provinzwalküren oder wehleidige Charmeuren. Außerdem bewies Dietl bereits hier sein gutes Gespür für bis dahin unbeachtete Qualitäten von Schauspielern wie Helmut Fischer. Unter seiner Regie glänzt Fischer bald als mokant lächelnder Gockel „Monaco Franz“, der die größten Unverschämtheiten über die Lippe brachte und zugleich mit seinem Blick erfolgreich um Verzeihung winseln konnte. Oder Ruth Maria Kubitschek, die zuerst als Antiquitätenhändlerin und überlegene Ehefrau des „Stenz“ auf sich aufmerksam machte. Als Verlegerin eines Boulevardblatts geifert sie in „Kir Royal“ nach den dreckigsten Schlagzeilen und schickt ihren Klatschreporter ohne Mitleid zwischen die Fronten von Politik, Gefallsucht und Korruption.

Geschlossene Gesellschaft

„Kir Royal“, das war so etwas wie eine charmante Vorhölle zu den Schlachtplatten, mit denen der Gesellschaftskarikaturist dann ins Kino ziehen sollte. Erst mit „Schtonk!“ (1991), dessen Grundlage – die gefälschten Hitler-Tagebücher – selbst schon perfekte Satire waren, dann mit der geschlossenen Gesellschaft aus Filmfuzzis, rollenlosen Schauspielerinnen, Drehbuchzockern und Journaille in „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ (1996). „Late Night“ bildete den Abschluss von Dietls Trilogie über Medien, Geschichte und Fälschungen und dem üblichen Jahrmarkt der Eitelkeiten.

Abscheu und Faszination

Dietl, der nach einem abgebrochenem Theaterwissenschafts- und Kunstgeschichtsstudium als Aufnahmeleiter beim Fernsehen begonnen hatte, ist seiner Hassliebe zum TV immer noch treu. Mit seiner Produktionsfirma Diana Film hat er preisgekrönte Sat.1-Werke wie „Wambo“ (2001) produziert. Die ZDF Koproduktion „Vom Suchen und Finden der Liebe“, mit Moritz Bleibtreu, Alexandra Maria Lara und u.a. Anke Engelke und Harald Schmidt ist gerade unter eigener Regie abgedreht.

Und es bleibt zu hoffen, dass aus Dietls vertrackter Beziehung zum Medium, aus dieser Mischung zwischen Abscheu und Faszination, noch die ein oder andere glänzende Farce ihre Funken schlagen wird.