„Diese Debatte könnte zur Spaltung von Attac führen“, sagt Peter Wahl

Die Globalisierungskritiker wollen sich bei den Bemühungen um eine neue Linkspartei heraushalten

taz: Herr Wahl, Sie reden am Sonntag auf dem Treffen der Linkspartei. Was werden Sie denen sagen?

Peter Wahl: Es geht um Zweck und Perspektiven einer neuen Linkspartei. Ich werde dort für Attac die Position der globalisierungskritischen Bewegung einbringen.

Und die wäre?

Attac ist und bleibt eine außerparlamentarische Organisation. Natürlich ist es jedem Attac-Mitglied überlassen, sich parteipolitisch zu engagieren. Manche begrüßen die Bemühungen um eine neue Linkspartei, andere lehnen sie ab. Deshalb ist unser Konsens: Wir halten uns raus.

Welche der Strömungen in Attac ist meinungsführend?

Keine. Deshalb der Konsens. Wir wissen, dass diese Diskussion um innerparlamentarische Beteiligung zu einer Spaltung von Attac führen kann.

Aber Raushalten geht auch nicht. Die Linksinitiativen behandeln Ihre Themen.

Es wird an bestimmten Punkten Zusammenarbeit geben. Das tun wir bisher auch schon mit anderen Parteien.

Und wie wollen sich im konkreten Fall der Linkspartei verhalten?

Das ist schwierig. Es gibt kein Programm, die Struktur steht nicht fest. Es ist nicht sicher, ob die Partei bis zur nächsten Bundestagswahl antritt. Aber in den Gegensätzen zur Politik der Bundesregierung gibt es viele Gemeinsamkeiten. Das wiederum ist aber kein Grund für besondere Beziehungen zu den Linkpartei-Initiatoren.

Vielleicht deshalb weil Sie Angst vor Konkurrenz haben?

Konkurrenz klingt übertrieben. Aber es gibt bei einigen die Befürchtung, dass ein Absorptionseffekt entsteht. Kräfte, die jetzt bei Attac arbeiten, könnten durch die Linksinitiativen abgezogen werden. Sonst meinen viele eher, dass aus den Linksinitiativen eine neue SPD entsteht, die wie diese irgendwann durch die Macht korrumpiert wird. Andere Attac-Leute sagen, dass es Synergieefekte geben könnte.

Führende Attac-Leute engagieren sich bereits in den Gremien der Linksinitiativen. Sie sprechen auf der Veranstaltung am Sonntag. So halten Sie sich heraus?

Attac-Leute treten auch bei CDU-Veranstaltungen auf. Zudem diskutieren wir derzeit einen Verhaltenskodex. Es soll jedem unbenommen bleiben, für eine Partei zu arbeiten oder für sie zu kandidieren. Aber wir möchten nicht, dass die Attac-Mitgliedschaft für einen Wahlkampf instrumentalisiert wird. Für die Dauer des Wahlkampfes sollte das Attac-Amt ruhen, und wenn man gewählt wird, sollte man Attac-Ämter abgeben.

Obwohl Sie sich raushalten wollen – wird es etwas mit der Linkspartei?

Derzeit lässt sich keine seriöse Prognose stellen. Die Frage ist, welche Strömung sich durchsetzt. Die Idee einer Partei neuen Typs ist noch unausgegoren. Und ein großer Teil will so etwas auch gar nicht, sondern quasi eine Neuauflage der Sozialdemokratie. Bestimmte linke Splitterparteien versuchen ebenfalls mitzumischen. Fest steht aber, dass es in Deutschland eine wachsende Instabilität im Parteiensystem gibt. Und wenn das für die SPD so weitergeht, etwa bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen, dann kann tatsächlich ein nennenswertes Potenzial für ein neues Parteiprojekt entstehen.

Die PDS war zuletzt sehr erfolgreich. Kann sie dieses Potenzial nicht nutzen?

Es ist fraglich, ob sich der Erfolg bis zur Bundestagswahl verlängern lässt. Zudem ist die PDS eine Regionalpartei, das war bei den Wahlen gut zu beobachten. Aber die Stärke der PDS und die Schwäche der SPD, das werden die beiden entscheidenden Größen für die Chancen einer neuen Linkspartei sein.

Die Forderung der Linkspartei-Initiatoren ist konservativ: der Erhalt des Sozialstaat in seiner bisherigen Form. Kann das erfolgreich und attraktiv sein?

Es gibt einen Unterschied zwischen erfolgreich und attraktiv. Mit einer linkspopulistischen Protestpartei der kleinen Leute kann man durchaus über die Fünfprozenthürde kommen. Für eine langfristige emanzipatorische Entwicklung reicht das sicher nicht. Da braucht es mehr Ideen.

Wie sehen Sie die Führungsriege der Linksinitiativen? Brauchen sie bekanntere Gesichter?

In den Anfangszeiten der Grünen konnten Sie auch einen Besenstiel aufstellen, der bekam viele Stimmen. Wenn die Zeiten nicht so günstig sind, braucht es Prominente. Die hat das Projekt bisher nicht. Aber erstens kann es die noch bekommen, und zweitens ist das nicht entscheidend. Es kommt auf das politische Klima an.

Erhoffen Sie sich etwas von einer neuen Partei?

Meine ganz persönliche Meinung ist: Selbst wenn es nur eine linkspopulistische Partei würde, könnte sie das Parteienspektrum durcheinander bringen. Allein das wäre interessant. Aber ich hoffe natürlich auf eine innovative linke Partei.

Welche die Linke noch weiter zersplittern und schwächen würde …

Die Linke kann man gar nicht mehr schwächen. Die PDS ist eine Ostpartei, die SPD verliert beständig an Boden, und die Grünen sind Linksliberale mit Öko-Anstrich geworden.

Wie viel Prozent geben Sie der Linkspartei?

Entschuldigung, aber darauf antworte ich nicht. Das wäre unseriös. INTERVIEW: DANIEL SCHULZ/
ANNA LEHMANN