Kunstspringen statt Arschbombe

Bürger beteiligen sich an der Planung des Stadionbades: Jetzt liegen die Vorschläge von Frauenorganisationen auf dem Tisch. Die wünschen sich chlorfreies Wasser und mackerfreie Zonen. Frauenbadetage wird es wohl nur ausnahmsweise geben

Bremen taz ■ Geschlechterneutrale Wickelräume, freundliche Bademeisterinnen, die Nichtschwimmerinnen oder -springerinnen die Angst vor dem tiefen Nass nehmen, haut- und augenfreundliches Badewasser – so wünschen sich Vertreterinnen verschiedener Frauenorganisationen ihr Stadionbad. Im mit 10.000 Euro vom Bausenator unterstützen größten Bürgerbeteiligungsverfahren Bremens konnten am Mittwoch Abend nach Kindern und Jugendlichen jetzt Frauen ihr Lieblingsfreibad entwerfen.

Als Negativ-Beispiel für eine Planung, die auf Mädchen keine Rücksicht genommen hat, nannten die Frauen immer wieder den Sportgarten, in dem Mädchen vor allem eins tun: zugucken. Der Sportgarten in der Pauliner Marsch orientiere sich mit Skater-Rampen und Kletterfelsen stark an den Bedürfnissen von Jungs, kritisiert Heike Blanck vom Ortsamt Mitte/Östliche Vorstadt, die den Abend organisiert hatte. „Wenn das wieder zu viel Action gibt, dann treiben wir die Mädchen raus“, befürchtet auch Jutta Diederichs vom Bremer Mädchenhaus. Als Freibad-Nutzerin wünsche sie sich selbst Ruhezonen. „Ich möchte auch mal in Ruhe ein Buch lesen können.“

Auch bei den Befragungen von Schülerinnen hatte sich herausgestellt, dass viele Mädchen Hecken als Rückzugsmöglichkeiten schätzen, damit sie nicht immer auf dem Präsentierteller sitzen und unter sich sein können. „Man darf Mädchen aber nicht darauf reduzieren, dass sie sich immer ins Kuschelige zurückziehen – die wollen genauso toben, trauen sich aber nicht, wenn eine wilde Jungsbande den Raum beansprucht“, sagte Monika Heuß, grüne Beirätin und engagiert bei FOPA, einem bundesweiten Zusammenschluss feministischer Planerinnen und Architektinnen.

Badestunden und -tage exklusiv für das weibliche Geschlecht forderten deshalb einige der Frauen. Doch das sei genauso schwierig umzusetzen wie die Vorstellungen von Jugendlichen nach erwachsenen- und kinderfreien Zonen oder abgegrenzten Bereichen für Kleinkinder, gab Ortsamtsleiter Robert Bücking – neben dem Moderator der einzige Mann in der Runde – zu bedenken. „Wollt ihr Zäune ziehen?“ Auch zeitliche Freiräume könnten nur in Ausnahmefällen gewährt werden, da ein Freibad bei gutem Wetter niemand abweisen kann. Noch sei das Bad an der Weser ein Ort, der – abgesehen von Migrantinnen – von sehr vielen verschiedenen Bevölkerungsgruppen genutzt werde, so Bücking.

Weil das Stadionbad auch nach dem Umbau möglichst für alle Freiluftbader offen sein und seinen integrierenden Charakter behalten soll, müssten die verschiedenen Bereiche im Wasser und an Land so gestaltet sein, dass sie eine Nutzung vorgeben, so Bücking. Zum Beispiel biete sich der deichartige Wall, der noch außerhalb des Stadionbades liegt, als Liegewiese an. Entsprechend sehen beide vorliegenden Grob-Entwürfe – einer für ein konventionelles Chlorbad, einer für ein Natur-Bad mit biologischer Wasseraufbereitung – eine Trennung von Bahnenziehern und Freistilplanschern vor.

Der Ortsamtsleiter träumt außerdem davon, den gegenüberliegenden Werder-Trainingsplatz als Freifläche anzuschließen, wo gespielt und getobt werden kann. „Der darf aber bloß nicht zu professionell wirken mit Linien und Toren, dann schreckt das die Mädchen ab – die scheinen verinnerlicht zu haben, dass etwas, was Geld gekostet hat, nicht für sie ist“, so die Mädchenhaus-Mitarbeiterin Diederichs. „Besser wäre eine Wiese.“ So sollte es sein, findet auch Bücking. „Es gibt ja auch Jungs, die sich nicht aufs Fußballfeld trauen.“ Begeistert war die Runde daher von der Idee, ein Hochseil über das Wasser zu spannen, um mal etwas anderes als die klassischen Sportarten anzubieten und Mädchen bei ihrem sportlichen Ehrgeiz zu packen. Auch der Sprungturm könnte seine klassische Funktion als „Ich-zeig-dir-meine-Muskeln-und-wie-tough-ich-bin“ verlieren, wenn Mädchen animiert würden, ihn für anderes als Arschbomben zu nutzen, so Christine Tigges vom Internet-Frauenmagazin Gesche Online. „Mädchen machen lieber Kunstspringen.“

Ein ganz klares Votum gab es von der Runde für ein chlorfreies Bad. Beirätin Monika Heuß hatte auch eine Erklärung dafür, warum Jugendliche sich mehrheitlich für Chlor ausgeprochen haben. „Die haben alle Viertel-Eltern, die total auf bio sind – ganz klar, dass die sich in der Pubertät von denen abgrenzen wollen.“Eiken Bruhn

Die nächsten Termine: Besuchs-Tour zu bestehenden Freibädern am Samstag, 19. Juni, 11 bis 19 Uhr (mit Anmeldung), Arbeitstreffen Gelände-Planung am 22. Juni, 19 Uhr im Ortsamt, Am Dobben 91. Infos: ☎ 703170, www.stadionbad.bremen.de