Verregnete Wüste

Per Zufall Regisseurin: Ulrike Koch stellte ihren Film „Ässhäk – Geschichten aus der Sahara“ im Atlantis vor

Ein Nomadeauf der Suche nach seinementlaufenen Kamel

Sie ist eine zierliche Frau – und entspricht auf den ersten Blick nicht den Vorstellungen, die man sich von der Regisseurin eines Filmes wie Ässhäk macht. Aber sobald Ulrike Koch anfängt zu erzählen, spürt man, dass da eine Reisesüchtige vor einem sitzt – eine von denen, die in der Fremde ihre Heimat gefunden haben, die durch das Reisen stark wurden. Und wenn sie dann von der Sahara erzählt, deren monumentalen Landschaften und von den Tuareg, ihrer Freundlichkeit und Würde, versteht man auch, warum sie sich in ihrem eigenen Film fast unsichtbar gemacht hat.

„Ässhäk“ ist das Wort der Nomaden für Respekt, und mit solchem beschreibt Ulrike Koch das Leben in der Wüste. Sie spielt sich nicht mit Kommentaren oder Regietricks in den Vordergrund, sondern zeichnet fast demütig auf, was sie auf ihrer Reise gesehen hat. Dabei lässt sie sich und dem Film viel Zeit, es gibt viele lange Einstellungen, in denen kaum mehr passiert, als dass etwa ein Kamel über eine Düne läuft. „Es war mir auch wichtig, den Rhythmus des dortigen Lebens zu vermitteln“, sagt sie.

Ässhäk gibt jedem Zuschauer die Gelegenheit, selber Entdeckungen zu machen. Diese offene, bei all den Super-Egos beim Kino angenehm bescheidene Art des Filmemachens erklärt sich vielleicht dadurch, dass Koch eher zufällig zur Regisseurin wurde: „Ich bin Sinologin, habe lange und gerne in China gelebt und bekam dann in den 80er Jahren den Job, für Der letzte Kaiser von Bertolucci das Casting der chinesischen Schauspieler zu organisieren.“

Bis dahin habe sie überhaupt kein Interesse am Film gehabt. Doch danach arbeitete sie immer wieder bei Filmproduktionen in Asien mit, bei Urga von Nikita Michalkow etwa und wieder mit Bertolucci bei Little Buddha. „Irgendwann war ich dann Regieassistentin, und als ich die Idee hatte, einen Dokumentarfilm über die Salzmänner in Tibet zu drehen sagte der Produzent, es wäre ja mein Baby, da könnte ich auch gleich Regie führen.“ Für diese Arbeit wurde Ulrike Koch mehrfach preisgekrönt, und der Film war auch ein großer Publikumserfolg.

Um den Klischees von der Sahara zu entkommen, filmte Koch in der Regenzeit: Die eindrucksvollsten Bilder ihres Films sind auch jene von einem sintflutartigen Gewitter. „Auf diesen Regen mussten wir lange warten. Es war schwül, überall Mücken, in der Nähe gab es ständig Gewitter. Nach zwei Wochen wollten wir es anderswo versuchen, aber der Marabut sagte uns, es könne überall regnen, warum woanders hinziehen?“

Ulrike Koch lässt die Menschen viel erzählen, singen, Poesie rezitieren. Die Tuareg reden frei, direkt in die Kamera, auch die Frauen sind vielleicht etwas schüchtern, aber nie eingeschüchtert. Vieles an Ässhäk ist inszeniert: Es gibt eine Rahmenhandlung, in der ein Nomade sein entlaufenes Kamel sucht, und ein Turban wird extra für die Kamera gebunden.

Koch sagt dazu: „Ich habe oft im Halbdunkel zwischen Tag und Nacht gedreht, diesen grandiosen Himmel über der Wüste. Und die mir liebste Szene zeigt, wie eine Tuareg geschminkt wird, die halb Kind und halb Frau ist. Ich mag dieses Dazwischen, und so lasse ich auch Ässhäk zwischen Fiktion und Dokument stehen.“ Wilfried Hippen

„Ässhak– Geschichten aus der Sahara“ läuft ab morgen im Atlantis